»Das Land hat seinen Vater verloren«

Weit über Südafrika hinaus wird um Nelson Mandela getrauert und sein Vermächtnis gewürdigt

  • Markus Schönherr, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Woche lang will Südafrika um Nelson Mandela trauern und dessen erfülltes Leben feiern. Staats- und Regierungschefs von allen Kontinenten würdigten das politische Vermächtnis.

»Wir beten, dass Gott eure Tränen trocknet und euch erneut stärkt. Danke, dass ihr Tata mit uns geteilt habt.« Mit diesen Worten bekundete Desmond Tutu, emeritierter Erzbischof und Kämpfer gegen das Apartheid-Regime, Nelson Mandelas Familie am Freitag sein Beileid.

Nelson Rolihlahla Mandela war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in Johannesburg verstorben. Das Land am Kap befindet sich in einer Schockstarre. Vor der Residenz des Freiheitshelden im Vorort Houghton versammelten sich kurz vor Mitternacht Hunderte Menschen. Viele von ihnen trotzten der Frühlingskälte in ihren Pyjamas. Die spontanen Trauerfeiern wurden durch das Dröhnen von Vuvuzelas und Lieder aus dem Freiheitskampf begleitet.

Mandelas Ableben kam nicht unerwartet, nachdem er zuletzt drei Monate im Krankenhaus verbracht hatte und auch in seinem Haus auf lebenserhaltende Geräte angewiesen blieb. Und dennoch: »Es war ein Schock für uns, als wir es hörten. Obwohl wir uns schon lange darauf vorbereitet hatten - es bleibt ein Schock«, sagte eine der Trauernden vor Mandelas Haus. Ganze Familien fanden sich hier ein. »Ich bin geschockt, ich kann es noch nicht fassen«, sagte ein Achtjähriger unter Tränen. Eine der Anwesenden brach vor Journalisten zusammen, nachdem sie erklärte: »Ich bin froh, dass er nun an einem besseren Ort ist. Hoffentlich kann Südafrika mit seinem Tod umgehen.«

Wie stark Mandela trotz seines Rückzugs aus der Politik 2004 präsent blieb, zeigte sich auch in Soweto. In Südafrikas größtem Township hatte Mandela gelebt, nachdem er aus seinem Heimatdorf Qunu in die Stadt gezogen war. In der Nacht versammelten sich auch hier die Trauernden und gedachten Mandelas Wirken mit Liedern und Tänzen.

Ähnliche Szenen in Kapstadt, wo Mandela nach 27 Jahren politischer Haft seine erste Rede als freier Mann hielt. Hier hängen die Flaggen auf Halbmast. Auf den Straßen wehen seit den frühen Morgenstunden bunte Fahnen mit den Worten »Tata«, »Madiba« und »Mandela«. Den ganzen Tag über fanden Trauergottesdienste statt und Hunderte Menschen legen Blumen nieder.

Wegbegleiter Desmond Tutu rief die Südafrikaner dazu auf, Mandelas ideelles Erbe fortzuführen und holte gegen jene Kritiker aus, die nach Mandelas Tod einen politischen Kollaps befürchteten. »Die Idee, Südafrika gehe in Flammen auf, bringt unsere Bürger in Verruf. Die Sonne wird morgen aufgehen und am nächsten Tag und auch danach. Sie wird nicht mehr so hell scheinen wie früher - aber das Leben geht weiter.«

Die zentrale Trauerfeier in der einwöchigen Staatstrauerphase findet am Dienstag in Soccer City statt, dem Fußballstadion, in dem Mandela beim WM-Endspiel 2010 seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte. Dazu werden Gäste aus aller Welt erwartet. Am 15. Dezember erfolgt die Beisetzung in seinem Heimatort Qunu.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.