Jens Keller braucht die Atemmaske
Schalkes 1:2 in Mönchengladbach verschärft die Debatte um den Trainer
Granit Xhaka hatte den linken seiner quietschgelben Fußballstiefel leicht nach vorn geschoben, die Hände lässig an die Hüften gelegt: So sprach er über seinen Bruder Taulant. Der verteidigt beim Schweizer Meister FC Basel, und mit dem kann er den FC Schalke am Mittwoch aus der Champions League kippen. Dafür genügt Basel bereits ein Remis - ein Showdown, den sich Gladbachs Xhaka nicht entgehen lässt.
»Ich bin am Mittwoch im Stadion«, kündigte der 21-Jährige an - und bohrte den Gelsenkirchenern nach dem 2:1-Erfolg von Borussia Mönchengladbach den Finger in die offene Wunde: »Der eine Xhaka hat’s schon gemacht, und jetzt warten wir auf den nächsten.«
Basels Chancen aufs Achtelfinale stehen gegen die angeknockten Gelsenkirchener dabei gar nicht schlecht. Zwar erwiesen sich die Schalker am Sonnabend im Borussia-Park widerstandskräftiger als vier Tage zuvor beim üblen 1:3 gegen Hoffenheim im DFB-Pokal. Beim Gezeter gegen Referee Felix Zwayer, der ihnen mit seiner Kartenvergabe bei zwei Strafraumszenen ihrer Ansicht nach ein Erfolgserlebnis geraubt hatte, waren sich Schalkes Vertreter bis hin zum Trainer einig - berechtigter wurde ihr Verbalgetöse dadurch aber nicht.
Für Julian Korbs Ziehen an ihrem Stürmer Kevin-Prince Boateng hätten sie statt Gelb gern Rot gesehen, die Gelb-Rote Karte gegen ihren Kapitän Benedikt Höwedes (er lenkte kurz vor der Pause einen Schuss von Max Kruse mit dem Oberarm übers Tor) schien ihnen dagegen zu hart. »Ich weiß nicht, ob der Schiedsrichter schon mal Fußball gespielt hat«, giftete Schalkes Manager Horst Heldt - und bekam von Zwayer via TV die kühle Antwort: »Das wird mir zu doof, lernt die Regeln.«
Auch Trainer Jens Keller (»Beim Foul an Boateng hätte es eine andere Karte geben müssen«) wehrte sich ein wenig. Der Coach, für den die Luft auf dem Berger Feld mittlerweile so dünn geworden ist, dass ihm seine Chefs vor der Partie gegen Basel eigentlich eine Sauerstoffmaske aushändigen müssten, meinte vorsichtig: »Es wäre nicht unverdient gewesen, wenn wir noch das 2:2 gemacht hätten.« Fügte dann aber noch hinzu: » Mit der Leistung insgesamt bin ich nicht zufrieden.«
Nach wie vor ist die Zukunft des umstrittenen 43-Jährigen auf Schalke ungewiss. Offiziell soll nach dem letzten Vorrundenspiel in Nürnberg darüber entschieden werden. »Die Trainerfrage stellt sich jetzt nicht«, bekräftigte dieweil Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. »Es geht in den nächsten Spielen darum, Siege einzufahren.«
Keller hatte gegen die Gladbacher mit ansehen müssen, wie nachlässig seine Mannschaft ihre Führung durch Jefferson Farfáns Elfmetertor verspielte: Nur sieben Minuten später fabrizierte Höwedes zunächst einen seltsamen, hohen Pass parallel zur eigenen Strafraumgrenze, dann schlug der schwache Julian Draxler den Ball nicht weit genug aus der Gefahrenzone, ehe der Ex-Gladbacher Roman Neustädter den Dreiklang an Unzulänglichkeiten vollendete, indem er dem Ex-Schalker Raffael pomadig hinterhertrabte, der ungehindert das 1:1 erzielte. Dabei ist Neustädter, vor einem Jahr noch als Nationalspieler getestet, auf Schalke aber mittlerweile zum Mitläufer geworden, nur ein Beispiel für die unterschiedliche Qualität der Personalentwicklung auf Schalke und in Mönchengladbach.
Raffael zeigt sich offen erfreut darüber, dass Schalke im Sommer nicht die fünf Millionen Euro Ablöse zahlen wollte, die Dynamo Kiew für ihn forderte, so dass er jetzt am Niederrhein unter seinem Lieblingsübungsleiter Lucien Favre trainieren kann. Das Tor zum 1:1 war bereits der achte Treffer des 28-jährigen Brasilianers in der laufenden Runde. Hinzu kommen vier Vorlagen. »Ich bin so gut wie noch nie«, sagt er von sich.
Das könnte auch Christoph Kramer von sich behaupten. Borussias Kilometerfresser, eigentlich in Leverkusen unter Vertrag, zeigte im defensiven Mittelfeld gegen Schalke erneut eine beeindruckende Leistung. In den vergangenen beiden Spielzeiten war der gebürtige Solinger an Bochum ausgeliehen, nun borgte sich Gladbach den 22-Jährigen bei Bayer. Für die bescheidene Leihgebühr von 300 000 Euro - während Schalke den Bochumern vier Millionen Euro für einen anderen jungen Mann aus dem defensiven Mittelfeld überwies: Leon Goretzka. Fuß gefasst hat der 18-Jährige auf Schalke aber noch nicht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.