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Schnüffeln mit Paragraf 129

Anti-Repressionsgruppen über laufende Verfahren

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Paragraf 129 ist eines der umstrittensten rechtsstaatlichen Instrumente hierzulande. Kritiker sehen darin vor allem ein Werkzeug für Sicherheitsbehörden, linke Strukturen auszuspionieren und Aktivisten zu kriminalisieren. Eine neue Broschüre von Anti-Repressionsgruppen ordnet aktuelle Verfahren politisch und historisch ein.

Ulrich v. Klinggräff vom Republikanischen Anwälte- und Anwältinnenverein sieht im Schnüffel- und Gesinnungsparagrafen eine Fortsetzung der Bismarck›schen Sozialistengesetze und eine »Allzweckwaffe zur massenhaften Verfolgung oppositioneller Gruppen«. Im einführenden Text gibt der Berliner Anwalt einen Überblick über Entstehung und Anwendung des Paragrafen, der die juristische Umsetzung tagespolitischer Interessen ermögliche. So erlebte der Straftatbestand »Bildung einer kriminellen Vereinigung« zwei Erweiterungen. 1976 wurde im Zuge der Verfahren gegen die RAF Paragraf 129a hinzugefügt, der die Bildung einer terroristischen Vereinigung mit besonders hoher Strafandrohung verfolgt. 2002, als nach dem 11. September der »Krieg gegen den Terror« ausgerufen wurde, trat Paragraf 129b gegen »kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland« in Kraft. Gegen die »Sauerland-Gruppe« kam er ebenso zum Einsatz wie gegen Aktivisten der PKK und türkische Linksradikale.

Die meisten 129a-Verfahren, etwa 3300 gegen insgesamt 10 000 Personen, gab es in den 1980er Jahren zur Hochzeit der Autonomen, als der Strafrechtsparagraf im Zuge von Hausbesetzungen, Anti-Atomkraftdemonstrationen und bei anderen Protesten gegen soziale Bewegungen eingesetzt wurde. Nur etwa drei Prozent der Verfahren führten zu einer Verurteilung. Deswegen sehen viele in den umfassenden Ermittlungen den eigentlichen Sinn des Strafgesetzparagrafen, der den Einsatz von V-Leuten, Telefonüberwachung, Raster- und Schleppnetzfahndung, das Anbringen von Peilsendern an Autos oder wie im Februar 2011 in Dresden die flächendeckende Funkzellenabfrage von Handydaten protestierender Nazigegner ermöglichte.

Die Broschüre bietet auch eine Übersicht aktueller 129a- und 129b-Verfahren. So geht es um die Razzien gegen die Antifaszene in Dresden im Jahr 2011 und den Magdeburger Prozess 2003 gegen drei Personen aus der linken Szene, um die Ermittlungen und das Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der »militanten gruppe«. Dabei wird deutlich, dass es ganze Strukturen sind, gegen die sich die Ermittlungen richten, nicht nur einzelne Personen. Dabei scheint es den Behörden um das Ausspähen wie um das Einschüchtern politischer Aktivisten zu gehen. Das zeigt der Fall Dresden, wo das Pressezentrum der Nazigegner von der Polizei gestürmt wurde, weil von dort aus angeblich Straftaten koordiniert wurden. Polizeiliche Ermittlungen wenden sich in solchen Fällen immer gegen alle Anwesenden, die quasi kollektiv strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt werden.

Zuletzt kam es Ende Mai in Berlin, Magdeburg und Stuttgart zu mehr als 20 Hausdurchsuchungen, um gegen vermeintliche Mitglieder der »Revolutionären Aktionszellen« vorzugehen. Manche vermuten, es ging dabei vor allem darum, kurz nach Beginn des NSU-Prozesses die Gefahr von links als die eigentliche Bedrohung des bundesrepublikanischen Rechtsstaates in Szene zu setzen.

Kampagne 129, Political Prisoners Network, Rote Hilfe Dresden: »Linke Politik verteidigen - fünf Finger sind ne Faust!« Online: broschuere129.blogsport.eu

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