Mistgabeln blockieren Wirtschaft
In Italien weiten sich die Proteste gegen Steuern und EU-Vorgaben aus
Den dritten Tag in Folge blockierten Landwirte und Transportunternehmer am Dienstag Italien. An den wichtigsten Knotenpunkten, ob Straße oder Bahn, auf Hauptverkehrslinien und Plätzen der großen Städte wird der Verkehr unterbrochen. In Turin gab es 14 Verletzte bei Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Angekündigt hatte den italienweiten Protest die Bewegung »Popolo dei Forconi« (Bewegung der Mistgabeln), ein Zusammenschluss von Bauern, Schäfern und Fleischproduzenten. Sie wehrt sich gegen die erdrückende Steuerlast sowie die Bedrohung der einheimischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion durch Billigimporte aus der Europäischen Union.
Die Bewegung unter Führung von Mariano Ferro wurde vor anderthalb Jahren in Sizilien gegründet und von Beginn an von rechten Kreisen des CasaPound und der Forza Nuova (FN), einer neofaschistischen Partei, unterstützt. Eine Nähe, die nicht allen Anhängern der »Forconi« behagt: Ferro selbst distanzierte sich anlässlich der jetzigen Proteste von der FN. Dennoch spendete der neu gewählte Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, Matteo Salvini, dem erneuten Ausstand der Transportunternehmen spontan Beifall.
Bereits in der vergangenen Woche hatten Landwirte den Brennerpass in Richtung Italien blockiert, um die Einfuhr von Lebensmitteln aus der EU zu verhindern. Zu Wochenbeginn verlangsamten Lkw-Kolonnen den Verkehr im Süden des Landes. In Neapel, Genua, Florenz und Turin wurden Straßensperren in den Innenstädten errichtet. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Turin setzte die Polizei Tränengas und Schlagstöcke ein, es kam zu 14 Verletzten.
Friedlicher ging es bei der Besetzung des für den internationalen Verkehr wichtigen Bahnhofs Porta Susa in Turin zu. Hier wandte die Polizei eine Deeskalationsstrategie an, die auf gewaltsame Konfrontation verzichtete. Es kam zu Diskussionen zwischen Demonstranten und Polizisten.
Der Chef der Bewegung Fünf Sterne (M5S), Beppe Grillo, rief Polizisten und Carabinieri auf, nicht die Politiker zu schützen, sondern sich »solidarisch an die Seite des Volkes« zu stellen.
Bereits am Montag kam es an mehreren Orten zu Verständigungen zwischen Ordnungskräften und Demonstranten. Polizisten nahmen demonstrativ ihre Schutzhelme ab und legten die Schilde weg. Sie erklärten sich mit den Forderungen einverstanden. Ihr Sprecher ergänzte, auch sie stünden unter einem »unerträglichen Steuerdruck«.
Italiens Innenminister Angelino Alfano hingegen setzte sich für einen harten Kurs ein. Man werde keine Gesetzesverletzung dulden.
Die Lage könnte sich im Verlauf der Woche noch zuspitzen. Forconi-Chef Ferro hatte am Wochenende angekündigt, dass die Protestaktionen mindestens bis Freitag gehen sollten. Fänden die Forderungen in der Politik kein Gehör, könnten die Aktionen auch fortgesetzt werden.
Am Mittwoch will Regierungschef Enrico Letta in beiden Kammern des Parlaments sein Wirtschaftspaket durchsetzen. Die Abstimmung ist mit der Vertrauensfrage verknüpft. Danilo Calvani, einer der Koordinatoren der Forconi-Proteste, kündigte für den Fall, dass Letta das Vertrauen ausgesprochen wird, »eklatante Maßnahmen« an. Man spricht bereits von einem »Marsch auf Rom« - ein Slogan, der angesichts der Verbundenheit mit rechten politischen Kreisen allerdings einen üblen Beigeschmack bekommt.
Sollte sich der Protest ausweiten, könnte es in wenigen Tagen zu Versorgungsengpässen kommen. Auch in den im Norden angrenzenden Ländern muss man sich dann wohl sorgen, ob die Orangen rechtzeitig unter den Weihnachtsbaum gelangen.
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