Zu hohe Hürden

Gesetze erschweren Rückkehr in die Krankenversicherung

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.

Am 1. April 2007 trat das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft, das die regierende Große Koalition beschlossen hatte. Die sozialdemokratische Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hob bei seinem Inkrafttreten immer wieder hervor, dass bald alle Menschen in Deutschland eine Krankenversicherung haben würden. »Willkommen in der Solidarität«, sagte sie pathetisch. Zu dem Zeitpunkt lebten nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes etwa 196 000 Menschen ohne im Besitz einer Krankenversicherung zu sein, das waren etwa 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Betroffen waren mit einem Anteil von 68 Prozent überwiegend Männer. Unter den 82 000 Erwerbstätigen ohne Versicherungsschutz fanden sich vor allem Selbstständige und mitarbeitende Familienangehörige. Die Mehrzahl war zwischen 30 und 49 Jahre alt, sagte die Statistik. Besorgt war die Politik in erster Linie darüber, dass die Zahl der Nichtversicherten beständig angestiegen war. Das Gesetz, mit dem sie diesem Trend entgegenwirken wollte, war allerdings mit so hohen Hürden in Form von rückwirkenden Beitragszahlungen und Säumniszuschlägen versehen, dass die Rückkehr in die Sozialversicherungssysteme nicht wie vorgesehen funktionierte.

Neue Regelungen sollten Abhilfe schaffen. Im August 2013 trat das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung, kurz Beitragsschuldengesetz, in Kraft. Es regelt Ermäßigung oder Erlass der Beitragsschulden sowie die Senkung der Säumniszuschläge von fünf auf ein Prozent. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion der LINKEN im Bundestag wird berichtet, dass den Krankenkassen zufolge bis zum 30. November 2013 ca. 5000 Personen in eine gesetzliche Krankenkasse zurück gekehrt seien und ihnen eine Ermäßigung bzw. ein Beitragserlasses gewährt wurden.

Nach Auskunft des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. haben sich im dritten Quartal dieses Jahres 2700 Menschen bei den privaten Krankenkassen zurück gemeldet. Im Juli 2011 verfügten nach Angaben aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts 137 000 Personen über keine Absicherung im Krankheitsfall. Die Bundesregierung verweist darauf, dass man erst einmal abwarten müsse, wie viele Menschen bis zum Jahresende noch in die Krankenversicherung zurückkehrten, ehe man über neue Maßnahmen nachdenken könne.

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