Der Herr des Nebels zieht Bilanz

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident ist ein Meister des Lavierens - im Land hat ihm das nicht geschadet

  • Bettina Grachtrup
  • Lesedauer: 3 Min.
2013 war ein schwieriges Jahr für Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann. Auf der bundespolitischen Bühne musste er Federn lassen. Im Land aber ist sein Ansehen nahezu ungebrochen. Bleibt dies bis zur Wahl 2016 so?

In der Zeit zwischen den Jahren ist für Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor allem eines angesagt: Ruhe. Das Jahr 2013 war für ihn turbulent - und nicht immer gingen die politischen Ereignisse zu seinen Gunsten aus. Sein Bestreben, nach der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl mehr Einfluss in der Bundespartei geltend zu machen, war nicht sonderlich erfolgreich. Auch in der grün-roten Landesregierung laufen viele Dinge nicht rund. Trotzdem ist Kretschmann im Land beliebt wie eh und je. Die Frage ist nur: Hält dies bis zur nächsten Landtagswahl im Jahr 2016?

Im Frühjahr warnte Kretschmann beim Bundesparteitag der Grünen davor, Bürger und Firmen mit höheren Abgaben und Steuern zu überfordern. Doch er scheute den offenen Konflikt und trug das Wahlprogramm mit. Dann das Desaster: Am 22. September kam die Partei bundesweit nur auf 8,4 Prozent - in Baden-Württemberg waren es 11 Prozent. Die Südwest-Grünen und allen voran Kretschmann drängten nach vorne, um die Partei wieder in die Mitte zu rücken - bislang mit mäßigem Erfolg. So unterlag die Freiburgerin Kerstin Andreae bei der Wahl für die Fraktionsspitze im Bundestag gegen Katrin Göring-Eckardt. Allerdings hat Kretschmanns ärgster innerparteilicher Gegner, der linke Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin, das Feld geräumt.

Die Sondierungsgespräche mit der Union im Bund zerschlugen sich, obwohl Kretschmann gerne weiterverhandelt hätte. Der »Spiegel« erklärte den 65-Jährigen zum »Gescheiterten«. Heute gilt Kretschmanns bundespolitisches Ansehen als lädiert, sein Einfluss in der Bundespartei als begrenzt.

Im Land kamen die Grünen aber mit einem blauen Auge davon. Zur Halbzeit von Grün-Rot im November sah eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag von SWR und »Stuttgarter Zeitung« die Partei bei 22 Prozent und damit nur leicht unter dem Wahlergebnis 2011 von 24,2 Prozent. Die grün-rote Mehrheit wäre damit zwar futsch. Aber die Umfrage zeigt auch: Wer das Land nach der Wahl 2016 regiert, ist noch lange nicht sicher.

Kretschmann selbst genießt hohes Ansehen. Sein Lavieren im Bund und manchmal auch im Land hat ihm nicht geschadet. Zwei Drittel der Baden-Württemberger zeigten sich zuletzt mit seiner Arbeit zufrieden - zum Leidwesen der CDU, die mit ihrem Personal hadert. Fraktionschef Peter Hauk, der Landesvorsitzende Thomas Strobl und Landtagspräsident Guido Wolf gelten als mögliche CDU-Spitzenkandidaten für 2016.

Wie tief die CDU noch oder die Grünen schon in Baden-Württemberg verankert sind, werden auch die Kommunal- und die Europawahl im Mai zeigen. In der Landespolitik haben sich Grüne und SPD vorgenommen, etwas ruhigeres Fahrwasser anzusteuern, nachdem sie in der ersten Hälfte der Wahlperiode eine ganze Reihe von Projekten anstießen. In der Bildungspolitik waren es vielleicht zu viele auf einmal, wie Regierungspolitiker einräumen. »Es gibt Punkte, in denen wir besser werden müssen in der zweiten Hälfte der Legislatur«, erklärte etwa Vize-Regierungschef Nils Schmid (SPD) zur Halbzeitbilanz.

Ein neues Konfliktfeld droht, weil im Bund nun eine schwarz-rote Regierung an der Macht ist. Die wegen ihrer schwachen Umfragewerte ohnehin nervöse Südwest-SPD könnte sich bei Abstimmungen im Bundesrat, so eine Befürchtung, eher dem schwarzen Koalitionspartner im Bund als dem grünen im Land verpflichtet fühlen. Doch Kretschmann hofft, mit der SPD einen gemeinsamen Modus zu finden: »Im Bundesrat gehen wir immer von den Landesinteressen aus.« dpa/nd

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