BAföG-Reform in der Warteschleife
Bundesbildungsministerin Wanka kündigte zwar eine Novelle an. Ob die jedoch weitreichend sein wird, ist bislang völlig unklar
Wer sich mit dem BAföG beschäftigt, kommt schnell ins Rechnen. Für die Bundesregierung könnte eine Novelle der Ausbildungsförderung zu einem bildungspolitischen Großprojekt werden, wenn eine solche Reform denn substanziell sein soll. Notwendig wäre das, denn für Studierende sind die Förderungsbeträge allzu überschaubar:
Henriette Mögel erhält seit drei Jahren BAföG, und stets wird auf ihrem Bescheid der gleiche Gesamtbedarf festgestellt, nämlich 609 Euro. Darin enthalten sind bereits 113 Euro Kinderzuschlag – die Studentin der Berliner Humboldt-Universität ist alleinerziehend. Weil das Studierenden-BAföG vom Einkommen der Eltern abhängt, werden ihr noch 214 Euro abgezogen. Wie für viele Studierenden reicht auch für Mögel die Ausbildungsförderung nicht zum Leben.
Die letzte BAföG-Novelle stammt aus dem Jahr 2010. »Seitdem ist nichts passiert«, beklagt sich Katharina Mahrt vom freien Zusammenschluss der Studierendenschaften (fzs). »Die Bedarfssätze sind nicht einmal der Preisentwicklung angepasst worden.« Das BAföG sei längst nicht mehr zeitgemäß, sagt sie. Während die Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt worden seien, habe die Förderung diesen Schritt nicht mitgemacht.
Wollten Studierende nach einem abgeschlossenen Bachelor- ein Master-Studium beginnen, gebe es für sie keine lückenlose Unterstützung. Auch der Leistungsscheck nach vier Semestern orientiere sich noch an den abgeschafften Magisterstudiengängen.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) weiß um die Defizite der Studierendenförderung. Bereits lange vor der Bundestagswahl hat sie sich für eine BAföG-Novelle ausgesprochen. Auch nach dem Abschluss der Regierungsbildung von Union und SPD hat sie diese Absicht wiederholt: »Wir machen eine BAföG-Reform, darauf können sie sich verlassen«, sagte die Ministerin unlängst gegenüber »Spiegel online«. Einigkeit besteht in diesem Punkt mit der SPD – und dennoch hat eine BAföG-Novelle keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.
Längst ist nämlich das Vorhaben ein Streitpunkt der Großen Koalition geworden. Grundverschieden sind die Auffassungen einer Finanzierung. Die SPD sprach sich in den Koalitionsverhandlungen dafür aus, dass der Bund für das BAföG künftig alleine aufkommen und die Länder entlastet werden sollten. Bisher trägt der Bund 65 Prozent der Kosten, während die Bundesländer 35 Prozent beitragen. Doch Wanka bekräftigte, dass das BAföG auch künftig gemeinsam bezahlt werde. »Das ist so, und das bleibt so«, sagte sie. So seien die Regierungsparteien verblieben.
»Frau Wanka muss nun liefern«, erklärt Ernst Dieter Rossmann, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. In dieser Legislaturperiode müsse es eine grundlegende Verbesserung beim BAföG geben, fordert er: Der Bund müsse sich mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag daran beteiligen. »Sonst wäre die Novelle nicht substanziell.«
Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linkspartei, war enttäuscht, als die BAföG-Novelle in der Endfassung des Koalitionsvertrages nicht mehr auftauchte. Trotz Wankas Versprechen ist für sie unklar, wann eine Reform kommt und welche Verbesserungen es für die Studierenden geben soll. Bereits die letzte Reform vor drei Jahren sei enttäuschend gewesen. »Es gab nur eine BAföG-Erhöhung um zwei Prozent«, gibt sie zu bedenken. Angesichts des engen finanziellen Rahmens, den die Große Koalition der Bildungspolitik einräumt, sei der Spielraum für eine BAföG-Novelle ohnehin begrenzt, befürchtet sie.
Im Januar wird Bildungsministerin Johanna Wanka den neuen BAföG-Bericht vorstellen, mit dem sie eine Empfehlung an den Bund und die Länder abgibt. Der Dachverband der Studierendenvertretungen fzs hofft, dass die Weichen dann endlich Richtung Reform gestellt werden. Die Ausbildungsförderung dürfe jedenfalls nicht weiterhin ausgehöhlt werden, sagt Mahrt. Das BAföG müsse wieder für mehr Studierende eine relevante Unterstützung sein.
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