Aufräumen in der Ahnengalerie
Im Kreis Segeberg hat die LINKE eine Neubewertung des NS-Landrats von Mohl angestoßen
Eigentlich versteht es sich von selbst, dass ein Mann, der in Deutschland zwischen 1932 und 1945 das Amt eines Landrates bekleidete, kein lupenreiner Demokrat gewesen sein kann. Nichts anderes ergab nun auch ein Gutachten, das der Kreis Segeberg in Auftrag gegeben hatte, um das Wirken seines NS-Landrats Waldemar von Mohl unter die Lupe zu nehmen.
Das Thema angestoßen hatte die kleine Fraktion der Segeberger LINKEN. Im Januar 2013 war ihr Vorsitzender, Heinz-Michael Kittler, über das Porträt von Mohls gestolpert - eher zufällig, weil er sich die Ahnengalerie im Kreistag einmal näher ansah. Und als die Bilder der Landräte wenig später zu Reinigungszwecken abgehängt wurden, fragte er direkt einmal nach, ob man denn auch »den von Mohl« unbedingt wieder aufhängen müsse. Dass er damit bereits die dritte Runde im Streit um das Wirken des Mannes einläutete, war Kittler anfangs nicht bewusst.
Schon im Jahr 1980 hatte der bis zu diesem Zeitpunkt tadellose Ruf von Mohls erste Risse bekommen, als Lokalhistoriker Gerhard Hoch einen umfangreichen Band zur NS-Zeit in Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) veröffentlichte und darin auch Kritik an der Rolle von Mohls äußerte. Wirklich ernst wurde es aber erst 1995, als sich eine überwiegend in der »Segeberger Zeitung« geführte, mehrjährige Auseinandersetzung zwischen Hoch und Anton von Mohl - einem Sohn des Landrats - entwickelte. In deren Verlauf konkretisierte der Historiker seine Vorwürfe, während von Mohl die Integrität seines Vaters hervorhob.
Auf all dies stieß Kittler im Laufe seiner Recherchen. Er beantragte die historische Kommentierung des Porträts und brachte die Dinge somit in Bewegung. Denn nach anfänglichem Widerstand der CDU und nach dem Hinweis, Kittler solle sich lieber einmal mit SED und Stasi auseinandersetzen, herrschte im zuständigen Ausschuss schnell Einigkeit darüber, die Tätigkeit des NS-Landrats professionell begutachten zu lassen. Mit durchaus vorhersehbarem Ergebnis: Auf 32 Seiten kommen die Historiker Dr. Sebastian Lehmann und Prof. Dr. Uwe Danker vom Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZRG) zu der Einschätzung, dass von Mohl zwar letztlich »kein Nationalsozialist«, aber eben auch »kein Demokrat nach heutigem Verständnis« gewesen sei. Statt sich dem für ihn zweifellos erkennbaren, verbrecherischen Charakter des NS-Regimes zu verweigern, habe er sich als Landrat mit hoher Anpassungsbereitschaft in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt und dadurch »ein Beispiel zur Mitarbeit am NS-Staat« geboten. Eine »erläuternde Kommentierung des Porträts und der Rolle Waldemar von Mohls« kommt für die Gutachter daher als »absolute Minimalmaßnahme« in Frage. Wünschenswert sei eher eine historisch eingeordnete, interaktive Dokumentation aller Landräte, die zu aktiver Auseinandersetzung herausfordert.
Wie genau der künftige Umgang mit von Mohl aussehen wird, darüber will der Ausschuss im Februar befinden. Schon jetzt aber deutet sich an, dass sein Andenken im Segeberger Kreishaus nicht länger kritiklos ausfallen wird. So will die FDP den Empfehlungen der Gutachter folgen und auch der CDU-Kreistagsabgeordnete Uwe Voss spricht sich für eine Multimedia-Stele mit »historischen Erkenntnissen«, Filmclips sowie für einen Internet-Zugang zur weiteren Recherche aus. Für Heinz-Michael Kittler sind derlei Details am Ende eher Nebensache: »Uns war wichtig«, sagt der LINKEN-Fraktionschef, »dass so ein Mann im Kreishaus nicht unkommentiert geehrt wird. Und genau das wird künftig nicht mehr der Fall sein.«
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