Prag: Weitere Waffenfunde in Palästinensischer Botschaft
Ex-Generalstabschef: »Gut organisiertes Verteilungsnetz von Waffen unter dem Mantel diplomatischer Immunität« / Stadtteil fordert Umzug der Residenz
Prag. Nach der tödlichen Explosion in der palästinensischen Botschaftsresidenz in Prag geht die Suche nach den Ursachen weiter, durch die am Mittwoch der palästinensische Botschafter in Tschechien, Dschamal al-Dschamal, getötet worden war. Während die Polizei von einem Unfall beim Umgang mit dem Sicherungssystem eines Tresors ausgeht, glaubt die Familie des Diplomaten an ein Mordkomplott.
Ihr Vater sei am Neujahrstag einem »Attentat« zum Opfer gefallen, sagte Rana al-Dschamal am Freitag der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan. »Der Safe wurde über mehr als 30 Jahre in den Räumlichkeiten der palästinensischen Vertretung benutzt - es ist ein altes Gerät ohne moderne Bauteile«, sagte sie dem Bericht zufolge.
Der palästinensische Außenminister Rijad al-Malki sprach hingegen von einem »Arbeitsunfall«. Laut Polizei wurde die Detonation wahrscheinlich durch ein an der Tür des Safes angebrachtes Sprengstoffsystem ausgelöst.
In der Residenz fand die Polizei Waffen, die nicht in Tschechien registriert waren. Auch von Sprengstoff war die Rede. Auf dem Gelände der Botschafterresidenz entdeckte die Polizei zudem illegal gelagerte Maschinenpistolen, wie ein Polizeibeamter der Agentur CTK sagte. Die Zeitschrift »Respekt« sprach unter Berufung auf Geheimdienst-Mitarbeiter sogar von einem ganzen Selbstverteidigungsarsenal für eine zehnköpfige Mannschaft.
Der ehemalige tschechische Generalstabschef Jiri Sedivy zeigte sich beunruhigt über den Fund von Waffen in der Botschafterresidenz. »Man kann über ein gut organisiertes Verteilungsnetz von Waffen und Sprengstoff unter dem Mantel diplomatischer Immunität sprechen«, sagte Sedivy, der Leiter des Instituts für Sicherheitsstudien ist, dem Internetportal »aktualne.cz«. Es handele sich um eine »eklatante Verletzung diplomatischer Normen und Verletzung von Sicherheitsregeln«. In dem Botschaftsgebäude sollen sieben Dutzend Schusswaffen gefunden worden sein.
Derweil fordert der betroffene Stadtteil eine Verlegung der Botschaft. »Wir haben uns an das tschechische Außenministerium gewandt, damit die Botschaft aus unserem Viertel wegzieht«, sagte Petr Hejl, Ratsmitglied im Stadtteil Suchdol der tschechischen Hauptstadt. »Wir fühlen uns von Diplomaten, die Waffen und Sprengstoff besitzen und damit tschechisches und internationales Recht verletzen, verraten«, fügte er hinzu.
Der 56-jährige Dschamal war am Neujahrstag an Kopf, Brust und Magen tödlich verletzt worden. Seine 52-jährige Frau erlitt eine Rauchvergiftung. Sie wurde mit einem Schock ins Krankenhaus eingeliefert, das sie aber schon bald wieder verlassen konnte. Der Sohn des Paares blieb unverletzt. Dschamal gehörte der regierenden Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an. Er diente als Diplomat in Bulgarien, Ägypten und der Tschechoslowakei. Agenturen/nd
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