»Viele haben Angst davor, sich dazu zu bekennen«

Schwule Polizisten haben es schwer - unter den Beamten sei »das Machotum ausgeprägt« , sagt Thomas Ulmer

  • Jörn Perske
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Männerfußball gilt Homosexualität als Tabu-Thema. Wie ist das bei der Polizei?

Homosexualität ist auch bei der Polizei nach wie vor leider ein Tabu-Thema. Viele Kollegen haben Angst davor, sich dazu zu bekennen. Sie befürchten, dass ein Coming-out karriereschädlich sein kann. Und nach meiner Beobachtung werden Homosexuelle tatsächlich benachteiligt auf der Karriereleiter. Sie haben Probleme, an höhere Posten zu kommen. Auch wenn das offiziell keiner zugibt. Plötzlich kennen einen Leute nicht mehr und grüßen nicht mehr.

Wie waren Ihre Erfahrungen beim Coming-Out?

Bei meiner Einstellung habe ich das verschwiegen. Vor etwa 13, 14 Jahren habe ich mich dann geoutet. Die Reaktionen war bei mir überwiegend positiv. Aber man muss damit leben können, dass hinter dem Rücken über einen geredet wird. Aber ich habe es als Bundesvorsitzender mittlerweile auch wesentlich leichter.

Was leistet der Verband für homosexuelle Polizisten?

Wir beraten Kolleginnen und Kollegen, die sich outen wollen. Und sind Ansprechpartner für alle Fragen. Wir veranstalten auch Fortbildungen in Polizeischulen. Dabei geht es um die Fragen, wie man innerhalb und außerhalb der Polizei mit Homosexuellen umgeht. Wir bekommen häufig das Feedback: So haben wir das noch nicht gehört.

Wie ist Ihr Eindruck zum Wissensstand?

In allgemeinbildenden Schulen wird das Thema Homosexualität vernachlässigt. Einige Lehrer haben aber auch Angst vor der Reaktion von Eltern, die sagen: Darüber möchte ich mein Kind selbst aufklären. Es gibt großen Bildungsbedarf, wie man mit Minderheiten umgeht. Es gibt keine Zahlen, keine Strichlisten, aber wir glauben, dass bis zu zehn Prozent der etwa 260.000 Polizeibediensteten homosexuell sind.

Was haben Sie als schwuler Polizist empfunden, als Sie vom Outing des ehemaligen Fußball-Profis Hitzlsperger erfahren haben?

Ich war glücklich. Endlich traut sich einer. Ich habe mit so etwas erst in einigen Jahren gerechnet. Wenn sich ein prominenter Fußballer outet, hat das auch eine größere Wirkung, als wenn es ein Politiker tut. Breite Gesellschaftssichten werden angesprochen.

Wäre die Wirkung zu seiner aktiven Zeit nicht stärker gewesen?

Ein Bekenntnis während der Karriere wäre noch mutiger gewesen. Ich verstehe ihn aber. Er wollte loyal gegenüber seinen Vereinen sein. Da geht es ja auch um Sponsoren-Gelder. Es ist auch eine psychische Belastung vor 40.000 Zuschauern als schwuler Fußballer in einem Stadion aufzulaufen.

Welche Parallelen sehen Sie in der Welt des Fußballs und der Polizei für Homosexuelle?

In beiden Milieus ist das Machotum durchaus ausgeprägt. Und unter Polizisten und Fußballer gibt es viel körperliche Nähe. In der Umkleide und unter Dusche. Da kommt es auch mal zu Körperberührungen. Und in einem Streifenwagen sitzt man stundenlang auf engstem Raum zusammen. Aber ich sehe da noch nicht mal Probleme beim Duschen: Schwule und Lesben sind ja nicht ständig auf der Suche nach Sex.

Hat die Gesellschaft in Deutschland noch ein Problem mit Homosexualität umzugehen?

Da gibt es noch großen Nachholbedarf. Viele Menschen wissen nicht, wie sie mit auf Homosexuelle reagieren sollen. Bei Jüngeren hat »schwul« teilweise eine verächtliche Bedeutung. Das Wort liegt sehr locker auf den Lippen: »schwule Musik, schwules Auto...«

Welche Folgen wird das Outing von Thomas Hitzlsperger haben?

Man wird sich in Deutschland stärker damit beschäftigen. Homosexuelle erfahren hoffentlich auch mehr Akzeptanz.

dpa/nd

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