In Lettland regieren Oligarchen wieder mit
Neue Vierparteienregierung unter Führung Laimdota Straujumas wurde in der Saeima bestätigt
Für sechs junge Menschen wird sich das Leben durch die Bestätigung Laimdota Straujumas als Regierungschefin gewiss ändern. Es sind drei Jungen und drei Mädchen - die Enkelkinder der 62-jährigen Ministerpräsidentin. Bisher reisten sie mit ihrer Oma jeden Sommer übers Land. Die für den kommenden Sommer bereits geplante Ferienreise aber fällt vermutlich aus. Und überhaupt werden die Kinder ihre Großmutter seltener treffen. Die meisten anderen Bewohner Lettlands erwarten dagegen keine großen Änderungen.
Erst am Tag vor ihrer Nominierung als Regierungschefin war Straujuma der Partei »Einigkeit« beigetreten. Zuvor war sie parteilose Landwirtschaftsministerin. Als »Kompromissfigur« wurde sie von den Parteien erwählt. Ihre Hauptaufgabe werde es sein, die Koalition ohne große Reibereien zu den Parlamentswahlen in neun Monaten zu führen, schätzt der Politologe Janis Ikstens. Auch Laimdota Straujuma selbst kündigte nach ihrer Vereidigung an, den Kurs der strengen Haushaltsdisziplin fortzusetzen. Ihren Vorgänger Valdis Dombrovskis, der Ende November nach dem Tod von 54 Menschen durch den Einsturz eines Supermarktes in Riga zurückgetreten war, nannte Frau Straujuma den »allerbesten Ministerpräsidenten in der Geschichte Lettlands«.
Zu erwarten sind aber Änderungen in den politischen Verhältnissen. Bei der Bildung der neuen Regierung wurde deutlich, dass eine der regierenden Parteien - die Reformpartei - ihren Zenit überschritten hat. Die vom ehemaligen Staatspräsidenten Valdis Zatlers 2011 gegründete Partei war angetreten, um Lettlands Oligarchenparteien von der Macht zu verdrängen. Nun aber wird die Reformpartei in einer Koalition mit der Union von Grünen und Bauern zusammenarbeiten. In der Union führt Aivars Lembergs, Bürgermeister der Hafenstadt Ventspils, das Wort. Er gilt als einer der einflussreichsten Oligarchen des Landes. Ein Regierungsbündnis mit dieser Partei schlossen Zatlers' Reformer einst kategorisch aus. Bei den Wahlen 2011 wurde die Reformpartei zweitstärkste Kraft im Parlament und stellte vier von vierzehn Ministern. Nach jüngsten Umfragen kommen die Senkrechtstarter nur noch auf die Werte einer Splitterpartei.
»Es ist eindeutig, dass die Union von Grünen und Bauern Hauptgewinner dieser Regierung ist«, sagt die Politologin Ilze Kreituse. Vor allem könne sie die Oppositionsbänke verlassen. Die Reformpartei dagegen ist nach Kreituses Meinung »am Ende ihrer Existenz« angelangt.
Straujumas Vierparteienregierung - neben »Einigkeit«, der Reformpartei und dem Bündnis von Grünen und Bauern gehört die nationalistische Nationale Allianz dazu - stützt sich auf 67 von 100 Abgeordneten in der lettischen Saeima. Die einzige in der Opposition verbliebene Partei ist das Harmoniezentrum, das dank vieler Stimmen der russischsprachigen Bürger Lettlands die größte Parlamentsfraktion stellt. Fraktionschef Jānis Urbanovičs befand, Frau Straujuma könne zwar die Kabinettssitzungen leiten, sei aber nicht in der Lage, die Regierung zu führen. »Ihre Tagesordnung wird der Bürgermeister von Ventspils bestimmen, in Zusammenarbeit mit der Nationalen Allianz. Die beiden sind seit langen in einem Block vereint«, sagte er Urbanovičs dem Lettischen Rundfunk. In der Amtszeit Straujumas, prophezeite er, würden die EU-Fördermittel für Lettland hinter den Kulissen im Interesse bestimmter Personen umverteilt.
Laimdota Straujuma freilich wehrt sich gegen solchen Verdacht. Gegenüber der Zeitschrift »IR« argumentierte sie, die Regierung werde von vier Parteien getragen: »Vier Parteien! Ist es wirklich denkbar, dass vier Parteien vereinbaren, etwas durchzusetzen, was den Interessen der Oligarchen dient und für die Gesellschaft nicht klar und verständlich ist?«
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