Europas Rechte sehen sich im Aufschwung

Profit aus kriselnder EU in Umfragen hilft vor der Wahl zum Europäischen Parlament jedoch nicht über ideologische Differenzen hinweg

  • Bernard Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Feld der EU-Skeptiker bis -Gegner ist groß. Ihr Erfolg bei der Europawahl hängt davon ab, ob sie es schaffen, nationalistisch motivierte Rivalitäten zurückzustellen.

Ihr Verhältnis untereinander ist bisweilen komplexer, als man von außen vermuten könnte: Europas Braune sind sich nicht immer grün. Nimmt man zu den im engeren Sinne faschistischen Kräften noch so genannte »rechtspopulistische« Parteien und Bewegungen hinzu, ergibt sich ein kontrastreiches Bild. Und dennoch wollen einige von ihnen nun ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam ins nächste Europäische Parlament einzuziehen. Die drittstärkste Fraktion, nach Christ- und Sozialdemokraten, wollen sie bilden. Auf dieses Ziel hat sich ein halbes Dutzend rechte Parteien bereits geeinigt.

Beim Bundesparteitag der »Alternative für Deutschland« (AfD) werden viele ungelöste Konflikte um Strategie und Ausrichtung im Raum stehen. Wie viel Nähe zu anderen rechten EU-Kritikern und Eurogegnern ist statthaft? Wie viel sogenannte »Islamkritik« soll es sein? AfD-Chef Bernd Lucke gab schon vor Wochen die Linie vor, eine Annäherung an Parteien wie die britische Unabhängigkeitspartei (UKIP) habe zu unterbleiben. Und mit Marine Le Pen von der französischen Front National wolle er nach der Europawahl Ende Mai nicht in Straßburg zusammenarbeiten, fügte er hinzu. Hingegen besuchten die Landesvorsitzenden der AfD von Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern den Chef der UKIP, Nigel Farage.

Die UKIP ihrerseits möchte bislang nicht mit der französischen Front National zusammenarbeiten, da sie in Frankreich bevorzugten Kontakt zu einem bürgerlichen EU-Kritiker gaullistischer Provenienz hält, Nicolas Dupont-Aignan. Dessen Einzug ins Europäische Parlament ist jedoch unwahrscheinlich. Kurz nach der Sommerpause 2013 hatte Nigel Farage allerdings in den Räumen des Europaparlaments schon einmal mit Marine Le Pen gespeist. Offiziell hält Farage sich bezüglich solcher Kontakte bedeckt: Seine Partei, die in Großbritannien derzeit in manchen Umfragen die regierenden Torys von Premierminister David Cameron überflügelt, möchte gerne die britischen Konservativen beerben und beruft sich entsprechend oft auf deren historisches Vorbild Margaret Thatcher. Bewegungen wie die Front National, die zumindest einige Wurzeln im historischen Faschismus aufweisen, könnten da hinderlich sein.

Abgrenzung und Kooperation prägen aber auch die Beziehungen jener Parteien, die ein ähnlich ambivalentes Verhältnis zu geschichtlichen Vorläufern aufweisen. Die früheren Parteivorsitzenden Jean-Marie Le Pen (FN) und Jörg Haider - Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und später Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), 2008 verstorben - beschimpften sich in den 90er Jahren eifrig über die Grenzen hinweg. Haider bezeichnete den Franzosen in Zeitungen in dessen Land als Rassisten. Und Le Pen warf dem Österreicher später vor, seine Partei habe sich ihre Regierungsbeteiligung für ein Linsengericht abkaufen lassen, da der Mann an der Spitze keine tiefen ideologischen Überzeugungen aufweise.

Diese Zeiten sind inzwischen vorbei, und sechs Parteien beschlossen am 15. November in Wien zusammen ein Wahlbündnis für die kommende Europawahl. FN und FPÖ gehören dazu. Aber auch die »Schwedendemokraten« (SD), der belgische Vlaams Belang (VB), die italienische Lega Nord sowie eine slowakische nationalistische Partei (SNS). Differenzen sollen dabei zurückgestellt werden.

Dies fällt solchen Parteien nicht immer leicht, und wenn es nicht ideologische Differenzen sind, dann vermasseln ihnen oft nationalistisch motivierte Rivalitäten die Tour: Die erste gemeinsame Rechtsfraktion im EU-Parlament implodierte schon kurz nach ihrer Bildung 1989. Sie umfasste Franzosen von der FN, westdeutsche »Republikaner« unter Franz Schönhuber und italienische Neofaschisten der damaligen MSI (»Italienische Sozialbewegung«). Schönhuber bestand auf dem »deutschen Charakter Südtirols«, was bei den Italienern nicht gut ankam. Eine spätere Fraktion, die 2007 unter dem Namen »Identität, Tradition, Souveränität« entstand, hielt auch nur drei Vierteljahre: Als in Italien Hetzjagden gegen Roma ausbrachen und die neofaschistische Politikerin Alessandra Mussolini im Feuereifer gleich auch noch den rumänischen Botschafter hinauswerfen wollte, protestierten die Europaparlamentarier der »Großrumänienpartei« PRM, die bis dahin in derselben Fraktion saßen.

Heute allerdings, nach Finanz- und Eurokrise und gegenüber einer so stark wie noch selten diskreditierten Union, sehen sich die Rechten in Europa im Aufschwung. Vielleicht schaffen sie es deswegen, dieses Mal länger zusammenzuhalten: Gemeinsame Feinde verbinden.

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