Wirtschaft braucht Zuwanderung
Weltwirtschaftsforum berät über Folgen der Migration für Westeuropa
Es waren und sind Einwanderer, die Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen. Darin war sich das hochkarätig besetzte Podium am Open Forum in Davos einig. Als es um die Frage ging, wie die Migrationspolitik der Zukunft auszugestalten wäre, blieb es aber bei Allgemeinplätzen.
Vor dem Hintergrund der Volksabstimmung in der Schweiz zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP am 9. Februar schien das Thema des Open Forum, »Einwanderung: wünschenswert oder nicht?«, gut gewählt. Doch keiner der internationalen Gesprächsteilnehmer, unter ihnen der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan und Martin Schulz, Präsident des europäischen Parlaments, mochte sich konkret dazu äußern. Schulz war nur die Bemerkung zu entlocken, in der Schweiz rege sich Widerstand gegen die Einwanderung nicht, weil das Land in einer Krise stecke, sondern weil es im Gegenteil außerordentlich erfolgreich sei und deshalb Arbeitskräfte im Ausland rekrutieren müsse. »Das ist eine einzigartige Situation.«
So entwickelte sich ein reines Expertengespräch, in dem man sich einig war, dass Migration grundsätzlich wünschenswert und zudem kaum zu vermeiden sei. Aktuell, schätzt William Lacy Swing, Generaldirektor der internationalen Organisation für Migration in Genf, dürfte es weltweit etwa eine Milliarde Migranten geben, rechne man die Millionen von Chinesen mit ein, die von ländlichen Gegenden in die boomenden Küstenregionen ihres Landes pilgerten.
Alle Anzeichen sprächen dafür, dass das 21. Jahrhundert ganz im Zeichen der Migration stehen wird, so der Tenor der Diskussion. Grund dafür seien primär das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd und die überalternden Gesellschaften in vielen Industrieländern, in denen schon in naher Zukunft mangels Nachwuchs die menschliche Arbeitskraft zur Mangelware werde, sagte der Demograph Wolfgang Lutz. »Das ist aus historischer Sicht nichts Neues. Im 19. Jahrhundert sind auch aus der Schweiz viele ausgewandert, um ihr wirtschaftliches Glück in der Neuen Welt zu suchen und in sehr vielen Fällen auch zu finden.«
Schulz erzählte von einem Gespräch mit dem Papst, der sich als Nachkomme italienischer Einwanderer in Argentinien darüber wunderte, dass die Europäer nicht verstehen könnten, jetzt selbst im gelobten Land zu leben, in das nun andere Menschen strömen. Dass dieser Strom unter Inkaufnahme vieler Menschenleben aufgehalten wird, sei beschämend und werfe die Frage nach einem Kurswechsel auf. »Europa ist zum Einwanderungskontinent geworden, auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen. Wenn wir uns dazu bekennen, können wir auch eine Einwanderungspolitik definieren, ähnlich jener der USA oder Kanadas, die mit Kontingenten arbeiten.«
Schulz brachte damit auch die herrschende Ratlosigkeit angesichts eines nicht abebbenden Migrantenstroms aus Afrika zum Ausdruck. Dass diese Menschen schlecht ausgebildet und arm seien, stimme nicht. »Die Ärmsten und Ungebildeten schaffen es gar nicht soweit.« Annan verwies mit Blick auf seine Heimat Ghana auch darauf, dass gerade die am besten ausgebildeten Fachkräfte emigrierten. »60 Prozent der in Ghana ausgebildeten Ärzte wandern aus. Derweil herrscht in meiner Heimat akuter Ärztemangel«. Von einem grundsätzlichen Problem wollte Annan auf Nachfrage aber nicht sprechen. »Es kehren auch viele Fachkräfte nach einem Studium im Ausland zurück. Diese Leute bringen die Entwicklungsländer auch weiter.«
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