Linke Abgeordnete offenbar weiter im Visier

Magazinbericht: Verfassungsschutz habe »nachrichtendienstliche Beobachtung angepasst« / Überwachung bei Bekenntnis zu »extremistischer Gruppe«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Verfassungsschutz wird offenbar weiter Abgeordnete der Linkspartei überwachen. Wie das Magazin »Focus« unter Berufung auf Behörden berichtet, geschehe dies, wenn sich Parlamentarier der Partei »zu einer extremistischen Gruppe bekennen«. Das Bundesinnenministeirum habe gegenüber dem Magazin erklärt, dass die Bundesregierung »gemäß dem Bundesverfassungsgericht die nachrichtendienstliche Beobachtung angepasst« habe.

Danach darf nur dann ein Abgeordneter vom Verfassungsschutz ins Visier genommen werden, »wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft«. Ende vergangenen Jahres hatte Linksfraktionschef Gregor Gysi erklärt, er habe »das Urteil so verstanden, dass die Beobachtung letztlich nur noch bei NPD-Abgeordneten erlaubt ist«.

Schon zuvor hatten Spitzenpolitiker der Partei erklärt, »es gibt keine Abgeordnete und keinen Abgeordneten unserer Fraktion, die ihr Mandat zu einem solchen Kampf missbrauchen.« Die Linke hatte der Bundesregierung zudem mit neuen Klagen gedroht, falls die Beobachtung ihrer Abgeordneten durch den Verfassungsschutz bis Ende Januar nicht eingestellt wird. »Wenn nur ein Abgeordneter der Linken weiter oder neu beobachtet wird, ist das einer zu viel«, war seinerzeit Fraktionschef Gregor Gysi zitiert worden. Auch gegen die Beobachtung einzelner Parteigruppierungen will die Linke vor Gericht ziehen.

Im aktuellen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2012 werden als »offen extremistische Strukturen« in der Linkspartei unter anderem die Strömungen Sozialistische Linke, Antikapitalistische Linke, die Kommunistische Plattform sowie die Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí geführt. Als Belege für den Charakter der mit dem umstrittenen Begriff »extremistisch« bezeichneten Strömungen dienen in den Bericht schmale Hinweise auf marxistische Texte, Kritik am Kapitalismus und zur Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen oder anderen linken Kräften. Diese Einschätzung des Verfassungsschutzes wird weithin abgelehnt, Kritik an der Überwachung der Linkspartei kommt auch aus SPD und Grünen sowie von Rectsexperten.

Anfang Dezember hatte der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Gysi geschrieben, dass die Regierung den Vorgaben des Verfassungsgerichts Rechnung tragen und ihre Beobachtungspraxis anpassen werde. Was das konkret bedeute, werde dem parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste mitgeteilt. Eigentlich sollte dies schon in der Sitzung am 9. Dezember geschehen, der Tagesordnungspunkt wurde aber auf Januar verschoben. Gysi rechnete damals nicht mit einer Einstellung der Beobachtung. »Ich denke, sie werden das stark reduzieren, aber nicht aufgeben«, sagte er.

Bereits Ende Oktober hatten Gysi sowie die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger in einem unter anderem an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichteten Brief einen sofortigen Stopp der Überwachung von Linken-Abgeordneten gefordert. Die Linkenpolitiker verwiesen in dem Schreiben darauf, dass »weiterhin Abgeordnete unserer Fraktion durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und damit in gewisser Weise auch überwacht« würden. Dies schränke ihre Grundrechte als Abgeordnete ein, die Beobachtung sei »ein grundgesetzwidriger Zustand«.

Kipping, Riexinger und Gysi gaben in dem Brief außerdem zu bedenken, »dass eine solche Beobachtung und Überwachung unzulässiger Weise Bürgerinnen und Bürger daran hindern kann, uns zu wählen. Sie führt auch dazu, dass unsere Partei über weniger Mitglieder verfügt, weil es wegen der Beobachtung und Überwachung Ängste gibt, unserer Partei beizutreten«. nd/mit Agenturen

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.