Linke stören Burschenschafterball
Jahresspektakel der österreichischen extremen Rechten zog weniger Teilnehmer an als bisher
Die extreme Rechte Österreichs hat über die Landesgrenzen hinaus einen Dämpfer erhalten, nachdem am Wochenende eines ihrer zentralen Ereignisse in Wien nur unter erheblichen Störungen stattfinden konnte. In der österreichischen Hauptstadt kamen am Freitagabend einige hundert Menschen für den »Akademikerball« zusammen. So heißt seit einem Jahr der »WKR-Ball«. Das Spektakel wurde spätestens am 27. Januar 2012 in ganz Westeuropa bekannt, als die Parteivorsitzende des französischen Front National (FN), Marine Le Pen, dazu angereist kam.
Das Kürzel WKR steht für den »Wiener Korporationsring«, einen Zusammenschluss von derzeit 21 Burschenschaften, von denen die meisten schlagende und farbentragende, also besonders reaktionären Prinzipien verpflichtete Verbindungen sind. Zu den wichtigsten zählt die Burschenschaft Olympia, die derart ungeschminkt großdeutsch ausgerichtet ist, dass sie der Deutschen Burschenschaft (DB) angegliedert ist, und offen Verbindungen zu Holocaustleugnern hält. 2005 lud sie etwa den berüchtigten britischen »Historiker« und Auschwitzleugner David Irving zu einem Vortrag ein. Auch die ebenfalls dem WKR angegliederte Verbindung Teutonia wird dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet und gehört seit 2007 ebenfalls dem Dachverband DB an. 2012 erregte die Teutonia durch ein wüstes Flugblatt gegen Ariel Muzicant, den Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde (IGK) in Wien, Aufmerksamkeit.
Der Ball findet seit 1952 jedes Jahr statt. Doch zumindest in den vergangenen Jahren wurde es den Teilnehmern immer schwerer gemacht, zu dem Ereignis zu gelangen und es ungestört durchzuführen. Seit fünf Jahren gibt es regelmäßig Demonstrationen dagegen. Am Freitagabend kamen zwischen 6000 und 8000 Menschen zu zwei Protestzügen zusammen, von denen der eine eher vom autonomen Spektrum in Gestalt des No-WKR-Bündnis organisiert war. Der andere, organisiert vom Bündnis »Offensiv gegen Rechts« (OGR), war eher von Menschen aus der marxistischen sowie gewerkschaftsnahen Linken auf die Beine gestellt worden.
An den Demonstrationen nahmen auch Menschen aus Tschechien, Slowenien, Ungarn, Italien und aus Deutschland sowie der Schweiz teil, ebenso wie an den Workshopveranstaltungen am Tag danach in den Räumen der Wiener Universität, wo über Antifaschismus in Europa diskutiert wurde. Aber es gab auch Raum für unterschiedliche fantasievolle Aktionsformen: von der kalten Bierdusche für Rechte, die im Taxi durch die Absperrungen rund um die Wiener Hofburg gelangen mussten, bis zum Einsammeln von Burschenschafterkäppis als Trophäen.
Durch die Gegenmobilisierung, die in diesem Jahr viel breiter ausfiel als noch in jüngerer Vergangenheit, legten erstmals auch größere Teile der österreichischen Öffentlichkeit ein kritisches Augenmerk auf den Ball - und die Teilnehmerzahl schrumpfte erheblich. Zog das Ereignis in der Vergangenheit noch rund 3000 Menschen jährlich an, so schätzten örtliche Beobachter die reale Teilnehmerzahl in diesem Jahr auf 400 bis 800, während die Wiener Ortsgruppe der »Freiheitlichen Partei« (FPÖ) offiziell von 1000 sprach. Die FPÖ fungiert heute als offizieller Veranstalter. Als im Parlament vertretene Formation kann sie das Parteienprivileg geltend machen, weshalb ihr die Anmietung der Hofburg nicht verwehrt werden kann. Doch die Zukunft des Balls steht nunmehr in Frage: 2000 Polizisten waren am Freitag eigens dafür mobilisiert worden, die Kosten für den Einsatz werden auf eine Million Euro geschätzt. Selbst eine Boulevardzeitung wie »Madonna« bezeichnete am Samstag zuerst das Stattfinden des Balls als »Provokation«, um erst danach auch die Autonomen zu schelten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.