Vom Comandante zum Presidente?
El Salvadors linke Regierungspartei FMLN vor neuem Sieg bei Präsidentschaftswahl
Gewinnt die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) die Präsidentschaftswahl in El Salvador bereits in der ersten Runde am kommenden Sonntag oder muss sie fünf Wochen später in eine Stichwahl? Das ist derzeit die Frage, die das mittelamerikanische Land bewegt.
Die Chancen für den 69-jährigen ehemaligen FMLN-Comandante Salvador Sánchez Cerén, Staatspräsident zu werden, stehen gut. In letzten Umfragen erhielt seine regierende FMLN bis zu 48 Prozent der Stimmen und lag rund zehn Prozentpunkte vor der ultrarechten Partei ARENA.
Dabei sah es zunächst nicht gut aus für die FMLN. Als sie den bisherigen Vizepräsidenten Sánchez Cerén vor rund eineinhalb Jahren als Kandidaten nominierte, lag der in der Wählergunst bis zu 30 Prozentpunkte hinter ARENA. Ein Vertreter der alten Garde galt als unzeitgemäß. Sánchez Cerén gehörte bereits während des zwölfjährigen Bürgerkriegs zur FMLN-Führung, er steht für eine sozialistische Ausrichtung der heutigen Partei.
Die Stimmung begann sich zu wenden, als Sánchez Cerén den erfolgreichen Bürgermeister von Santa Tecla, Oscar Ortíz, zu seinem Vize-Kandidaten machte. Der hatte auch in der Guerilla gekämpft, gilt aber als gemäßigt und vermochte die städtischen Mittelschichten anzusprechen.
Sicht- und hörbaren Ausdruck fand der Kurswechsel bei der Abschlusskundgebung der Partei am vorigen Sonnabend. Der noble Paseo General Escalón war in ein rotes Fahnenmeer getaucht, als Hunderttausende FMLN-Anhänger ihre beiden Kandidaten feierten - und einen beliebten Schlagersänger, der früher für die Rechte sang. Kein Wort von Sozialismus hingegen und kaum Kritik am politischen Gegner. Im Wahlkampf standen die Erfolge der amtierenden Regierung unter Präsident Mauricio Funes im Mittelpunkt. Der ehemalige Fernsehjournalist war vor fünf Jahren auf dem Ticket der FMLN in den Präsidentenpalast eingezogen, hatte sich jedoch bald von der Partei und ihrem Programm entfernt.
Die Wiederbelebung der Wirtschaft, insbesondere der landwirtschaftlichen Produktion, gehören zu den wichtigsten Erfolgen der ersten FMLN-Regierung. Nach zwei Jahrzehnten neoliberalen Umbaus durch die ARENA hat die FMLN tatsächlich einiges erreicht. Musste El Salvador vor fünf Jahren noch große Mengen Grundnahrungsmittel importieren, kann es sich heute wieder selbst ernähren und sogar Bohnen nach Venezuela ausführen.
Durch die unentgeltliche Versorgung aller Schulkinder mit Stiften, Heften, Schuluniformen, Schuhen und einem Glas Milch täglich punktete die Regierung vor allem bei den Armen. Der besondere Coup: Kleidung und Schuhe wurden nicht billig aus China importiert, sondern bei kleinen einheimischen Werkstätten und Nähereien in Auftrag gegeben. Eine wichtige Unterstützung der eigenen Wirtschaft. Verantwortlich dafür war Sánchez Cerén, Vizepräsident und Bildungsminister unter Mauricio Funes.
Die FMLN profitiert aber auch von der Spaltung der Rechten und der Schwäche des ARENA-Kandidaten Norman Quijano. Der lästerte im Wahlkampf über die Geldverschwendung, die ein kostenloses Glas Milch für anderthalb Millionen Schüler bedeute. Rätselhaft blieb, warum er bis zuletzt an seinem Chefberater Francisco Flores festhielt, dem ehemaligen Staatspräsidenten, dem vorgeworfen wird, in seiner Amtszeit rund zehn Millionen US-Dollar Wiederaufbauhilfe aus Taiwan veruntreut zu haben.
ARENA steckt seit der Wahlniederlage 2009 in einer schweren Krise. Einige Abgeordnete verließen damals die Partei und gründete die gemäßigte GANA. Deren Führungsfigur ist Tony Saca, Staatspräsident von 2004 bis 2009, der nach der Niederlage aus der ARENA-Partei ausgeschlossen wurde. Am Sonntag tritt er für das Mitte-Rechts-Bündnis UNIDAD an und liegt in den Umfragen bei rund zehn Prozent der Stimmen. Sollte es zur Stichwahl zwischen FMLN und ARENA kommen, wird er seine Unterstützung teuer verkaufen wollen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.