Hafenarbeiter befürchten Liberalisierung

Gewerkschaften kündigen Widerstand gegen EU-Kommission wegen Port Package III an

  • Hans-Gerd Öfinger, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil sie eine weitere Liberalisierung der Hafendienste ablehnt, hatte die europäische Linksfraktion GUE/NGL zu einer Anhörung in das Brüsseler EU-Parlament geladen.

Eingeladen hatte die europäische Linksfraktion GUE/NGL, gekommen waren Hafenarbeiter, Gewerkschafter und weitere Sachverständige aus 15 Ländern - von Zypern bis Großbritannien und Portugal bis Schweden.

Grundlage der Anhörung im Europaparlament in Brüssel am Mittwoch bildete der aktuelle Entwurf einer Verordnung der EU-Kommission zum »Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen«. Sie sieht eine Liberalisierung und damit Einführung von Wettbewerb bei bestimmten Tätigkeiten vor, so etwa in den Bereichen Ausbaggern, Festmachen von Schiffen, Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle sowie Lotsendienste. Bei den Hafenarbeitern weckt dies Erinnerungen an frühere Versuche der EU-Kommission, über Richtlinien (Port Package I und II) eine Liberalisierung ihrer Arbeit und damit Lohn- und Sozialdumping einzuführen.

Durch massiven europaweiten Widerstand, Streiks und Lobbyarbeit war es 2003 und 2006 gelungen, die Mehrheit der EU-Abgeordneten für ein »Nein« zu gewinnen und damit die Kommission auszubremsen. Nun versetzen auch Kommissionspläne, wonach mit sogenannten »Notfallmaßnahmen« die Hafenbehörden kurzfristig auch andere Betreiber einsetzen können, viele Gewerkschafter wieder in Alarmzustand, weil sie darin eine Einschränkung ihres Streikrechts sehen. Die Hamburger EU-Abgeordnete Sabine Wils (LINKE), die die Anhörung mit initiiert hatte, sieht als Triebfeder hinter den Kommissionsvorstößen materielle Interessen: »Mit dem Entwurf der Kommission sollen wohl weitere Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen in den Seehäfen erschlossen werden. Dahinter stehen die Gewinninteressen der Reedereien.« Der »neoliberale Dreiklang Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung« sei ein fester Bestandteil der Strategie der EU und in den Verträgen von Maastricht bis Lissabon zementiert.

Dimitrios Theologitis, Abteilungsleiter Häfen bei der EU-Kommission, war bei der Anhörung am Mittwoch um leise Töne bemüht. »Wir wollten nie im Leben Sicherheits- oder Sozialstandards reduzieren, sondern diese im Gegenteil verbessern.« Anders als 2003 und 2006 gehe es der Kommission nicht um eine Liberalisierung an sich, sondern um Effizienzsteigerung und »mehr Wachstum und Beschäftigung«. Vom aktuellen Entwurf seien die klassischen Tätigkeiten der Hafenarbeiter nicht betroffen. »Wir haben keine versteckte Agenda, keinen Türöffner für eine weitere Liberalisierung«, beteuerte der Kommissionsvertreter.

Doch auch damit stieß er im Saal auf Skepsis und Ablehnung. »Die Gegenwehr muss in Betrieb und Gesellschaft fortgesetzt werden«, erklärte Detlef Baade vom Betriebsrat beim Hamburger Containerterminal Eurogate: »Aus unserer Sicht ist weiterhin höchste Wachsamkeit geboten«, so Baade.»Wir stellen kompetentes Personal und leisten hochqualifizierte Arbeit. Warum bezeichnen Sie uns als ineffizient?«, rief Mike Gibbons von der britischen Gewerkschaft Unite dem Kommissionsvertreter Theologitis zu: »Bei den Jobs ist Ihnen völlig egal, wie sie bezahlt werden.«

»Lotsendienste sind obligatorische und für die Sicherheit im Hafen maßgebliche Dienste, die einem natürlichen Monopol unterliegen und von einem einheitlichen Unternehmen erbracht werden sollen«, erklärte Maurizio Colombai von der italienischen Lotsenvereinigung im Gewerkschaftsbund CGIL. Kritisch äußerte sich auch der Hamburger Kapitän Uwe Jepsen vom Bundesverband der See- und Hafenlotsen. »Die Kommission weiß nicht, was sich im Hafen tut. Bei einer Umsetzung der Verordnung würden sich die bestehenden Nachwuchsprobleme in den Lotsendiensten verstärken, zumal der Lotse als «Sekundärberuf» eine langjährige Tätigkeit als Kapitän zur See voraussetze. «Ohne Aussicht auf ordentliche Entlohnung im Lotsendienst würden nur noch wenige diesen Berufsweg einschlagen.» Jepsen lud Theologitis ein, 24 Stunden lang die Lotsendienste im Hamburger Hafen hautnah zu verfolgen. «Um mögliche Effizienzprobleme in einzelnen Häfen zu lösen, brauchen wir keine europäische Gesetzgebung», erklärte Livia Spera von der Europäischen Transportarbeiterföderation (ETF). Der Dachverband vertritt insgesamt 2,5 Millionen Beschäftigte, die in 235 Gewerkschaften in 41 Ländern organisiert sind. Ob es der ETF wieder gelingt, wie schon 2003 und 2006 die Kommission zu stoppen, wird sich bald zeigen.

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