»Jecke, hört die Signale«

In Köln wurde eine Enthüllungsmaschine entwickelt - am Rosenmontag wird sie von den »Pappnasen« angeworfen

  • Anja Krüger, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit 2007 mischen die linken »Pappnasen Rotschwarz« mit beim Kölner Rosenmontagsumzug: Sie versuchen, dem Karneval seine rebellische Tradition zurückzugeben. In diesem Jahr geht es um die NSA.

An der weißen Wand lehnt ein Stiel mit einer roten Fahne. »Revoluzzjohn« steht darauf. Wenige Schritte daneben wirft ein Projektor die Umrisse von Buchstaben und einer Trillerpfeife an die Wand. »Jecke, hört die Signale«, ist dort zu lesen. Ein Mann und eine Frau stehen mit verschränkten Armen hinter dem Projektor. »Sollen wir die Pfeife nicht lieber wegnehmen?«, fragt die Frau. »Die taucht doch schon so oft auf.«

Die linken Politjecken »Pappnasen Rotschwarz« bereiten sich in einem großen Saal im Technologiezentrum Braunsfeld auf den Kölner Rosenmontagszug am 3. März vor. Etwa 15 Leute nähen heute gemeinsam Kostüme, bauen Requisiten und Puppen, singen umgedichtete Karnevalslieder und stellen Transparente her, indem sie an die Wand geworfene Entwürfe ausmalen.

Die Pfeife, das Symbol für Whistleblower, ist tatsächlich oft zu sehen. NSA und Überwachung sind das diesjährige Thema des Umzugs der »Pappnasen«. Sie lehnen sich an das Motto des offiziellen Karnevals »Zokunf - mer spingkse wat kütt« (»Zukunft - wir schauen, was kommt«) an. Daraus haben die Pappnasen eine zweiteilige Botschaft gemacht: »Hück - se spingkse wie jeck«, lautet der erste Teil: »Heute spionieren sie uns aus wie verrückt.« Der zweite Teil ist die Forderung nach mehr Transparenz in Wirtschaft und Politik: »Zokunf - mer spingkse zoröck.«

Anders als die traditionelle Narrenparade ist der Zug der »Pappnasen« als politische Demonstration angemeldet. Eine ihrer Forderungen, mit denen sie sich von den konventionellen Karnevalisten absetzen: Asyl für Snowden.

Wie in den vergangenen Jahren marschieren auch in diesem Jahr Dutzende von »Pappnasen« im »Zoch vor dem Zoch«, der am 3. März stattfinden wird. Viele von ihnen sind politisch aktiv - bei Attac, verschiedenen linken Gruppen oder in Bürgerinitiativen. Hunderttausende von Menschen stehen schon lange vor Beginn des Rosenmonatszugs an der Strecke und warten. Die Idee, diesen Rahmen für eine politische Botschaft zu nutzen, kam den Aktivisten bei einer Attac-Weihnachtsfeier 2006. Beim darauffolgenden Karneval waren sie dabei, um auf den G8-Gipfel in Heiligendamm aufmerksam zu machen.

Auch an diesem Rosenmontag werden sie sich um 9.30 Uhr am Karthäuserwall in der Nähe des Auftaktpunktes sammeln, ausgestattet mit geliehenen Rikschas, Puppen, Requisiten und - wie es in Köln so schön heißt: Wurfmaterial. Doch statt Kamelle bekommen die Zuschauer am Wegrand Flugblätter und die Texte von umgedichteten Karnevalsschlagern.

Aus einer Ecke im Vorbereitungsraum ertönen immer wieder die Klänge des Karnevalschlagers »Isch bin ne kölsche Jung.« Resi Maschke-Firmenich und andere singen einen bislang unbekannten Text dazu: »Isch ben e Risiko, wat wellste mache/Für de Sicherheit, dat es nit zum lache«, ist zu hören. »Isch ben doch wirklisch brav nur e bißje jet links/Wie ne Schwerverbrescher weed isch usjespinks«. »Das bedeutet: Ich bin doch brav, nur ein bisschen links und werde wie ein Schwerverbrecher ausspioniert«, erklärt Resi Maschke-Firmenich und lacht. Die »Pappnasen« haben viel Spaß. Der Arbeitsplan an einer Stellwand, die einen kleinen Bereich des Saals mit Tischen und Stühlen abschirmt, listet das Programm für das Wochenende auf: Datenkrake nähen, Transparente malen, Puppen gestalten und das Lastenfahrrad zur Enthüllungsmaschine umbauen.

Tilman Lenssen-Erz und seine Mitstreiter montieren dazu die rote »Revoluzzjohn«-Fahne an das Lastenfahrrad und ein Gerüst an die Ladefläche. Links und rechts hängen Plakate mit Angela Merkels Gesicht im Bild der Mona Lisa, darum gruppiert sind die Firmenlogos vom Versicherungskonzern Allianz, der Deutschen Bank, BMW, Bayer und anderen. Darüber kommt ein Vorhang, der auf- und zugezogen werden kann. »Am Rosenmontag enthüllen wir Angela Merkel immer wieder«, sagt Lenssen-Erz.

Einige Meter entfernt steht ein großer Clown mit roter Nase auf einem Pappkarton. Das ist der »Tünnes Hood« aus dem vergangenen Jahr, als die Pappnasen die »Umfairteilen-Kampagne« zum Thema hatten. Er wird zum »Trötenmann« umgebaut, zum kölschen Whistleblower. Eine Fußtruppe wird mit in Durchleuchtungsgeräte verwandelten Tennisschlägern die Passanten am Rande der Zugstrecke scannen. »Wir versuchen, die Leute an der Zugstrecke einzubeziehen«, sagt Christa Schiebs, die an der grünen »Datenkrake« mitbaut. Im vergangenen Jahr hatte die Truppe Fensterrahmen und Geldsäcke dabei - damit die Passanten wie die Banker einmal Geld zum Fenster hinauswerfen konnten.

Auch außerhalb der Karnevalszeit sind die Pappnasen unterwegs, etwa als »Bunte Funken gegen braune Halunken«. »Wir begegnen den Nazis mit Spott und Ironie«, sagt Tilman Lenssen-Erz. Auch dazu dichten sie Lieder um. Das hat einen großen Überraschungseffekt, sagt er: »Wir nehmen den Nazis, die sich im Volksliedkontext wähnen, Lieder weg und wenden sie gegen sie.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.