Welt ohne Schwarz und Weiß

Im Kino: »American Hustle« von David O. Russell

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Batman trägt jetzt Bierbauch. Der füllt gleich die erste Einstellung von David O. Russells brillanter Tragikomödie »American Hustle«, dieser stimmigen Mixtur aus »Der Clou«, »Casino« und »Saturday Night Fever«. Ein einfacher Weg, einen Mann lächerlich zu machen: Gib ihm ein Toupet. Die Konstruktion aus Haarteilen und Sekundenkleber, die sich Ex-Fledermausmann Christian Bale zu Filmbeginn bierernst auf die Halbglatze montiert, muss man gesehen haben. Man fiebert den ganzen Film über mit dieser Frisur.

»Einiges ist tatsächlich so geschehen.« Und tatsächlich, die Titel vor dieser alle Ausprägungen der Lüge durchspielenden Gauner-, Polit- und Polizeiposse lügen nicht: 1980 zwang das FBI Trickbetrüger, Kongressabgeordnete in die Korruptionsfalle zu locken. Ein falscher Scheich erkaufte sich vor den Kameras der Ermittler Gefälligkeiten von zahlreichen Politikern.

Bale löst sich in der Rolle des Kleingangsters Irving Rosenfeld auf, verschwindet einfach in diesem liebenswerten, bauernschlauen Verlierer mit Bart und Brille. Doch ist er nur komplett neben dem heißesten Dekolleté der Saison: Amy Adams als Sydney - Landei mit Lady-Habitus, smartes Luder, durchtriebenes Biest. Die Liebe und das florierende Betrugsgeschäft der beiden wird jäh zerstört. Der von inneren Dämonen getriebene FBI-Agent Richie DiMaso (Bradley Cooper als irrer John Travolta) zwingt das hochgenommene Duo in seine Dienste. Er ist besessen, Korruption zu bekämpfen - und wenn er die Bestechung dazu erst selber ankurbeln muss. Und wenn dabei ehrbare Politiker über die Klinge springen. Und wenn die Welt untergeht.

Der hochbegabte Rosenfeld muss bei dem Streich zähneknirschend Regie führen. Durch eine unglückliche Verkettung sehen die drei sich aber schon bald mit den höchsten Mafiakreisen konfrontiert. Und dann gibt es da noch Rosenfelds Ehefrau (Jennifer Lawrence) - eine tickende, depressive Sex- und Zeitbombe, die das ganze Unternehmen zu sprengen droht.

Der Film - oscarnominiert und gerade in einer Sondervorführung bei der Berlinale gezeigt - geht ein gemächliches Tempo, so lässig wie der soulige Soundtrack. Regisseur Russel nimmt sich viel Zeit für diese perfekt getimte Story, für seine drei Hauptfiguren: den Guten, den Bösen und das Sexbiest. Mancher würde sagen: zu viel. Doch die nach dramaturgischer »Pause« wartenden Wendungen halten den Filmstrom zuverlässig am Laufen.

Christian Bale und Amy Adams verzaubern. Und das in Kostümen und einer Ausstattung, die sehr glaubhaft ein schlampig-bärtiges 70er-Jahre-Flair erzeugen - nur die allgegenwärtige Zigarette fehlt vielleicht.

Der Film wirft auch interessante moralische Fragen auf. Wie sind etwa polizeiliche Undercover-Aktionen zu bewerten, die das Korruptionspotenzial der Zielperson erst mit viel Zeit und Mühe selber erzeugen müssen? Denn hier wurde keine vorhandene Gier befriedigt, sondern wurden die betreffenden Politiker nach allen Regeln der Kunst verführt. In einer Welt ohne Schwarz und Weiß - Rosenfeld beschreibt seine Realität als »extrem grau« - kann man da als Politiker überhaupt mit einer sauberen Weste durchs Berufsleben gehen? Ist der Kontakt zur Mafia in wirklich jedem Fall verdammenswert - auch wenn dadurch das Leben tausender Menschen konkret und schnell verbessert werden kann?

Russell und sein tolles Ensemble halten die Balance zwischen solch ernsten Themen und einer stets mit diffuser Traurigkeit behafteten Komik. Das ist beste Unterhaltung.

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