Ein Beruf als Pflegefall
Verbände der Altenpflege warnen vor geplanter Gleichmacherei bei Ausbildung
Sandra Streller ist gelernte Fleischerin; mit dem Beruf sei sie »familiär vorbelastet«, sagt die 38-Jährige. Das Erbe hat sie aber mangels Perspektive in den Wind geschlagen. Seit drei Jahren lässt sich die dreifache Mutter stattdessen zur Altenpflegerin ausbilden - trotz aller Widrigkeiten: Kitaplätze waren schwer zu finden; für die Ausbildung muss sie Schulgeld bezahlen; und bei der Arbeitsagentur wurde sie gefragt, ob sie nicht lieber zu Hause bleiben wolle. Will sie nicht: Altenpfleger sei ein schöner, anspruchsvoller Beruf - »und sicher ist er auch«.
Wohl wahr. 700 000 Menschen arbeiten derzeit in der Bundesrepublik in der ambulanten und stationären Pflege alter Menschen; 55 000 weitere befinden sich in der Ausbildung. Doch auch dieses Personal wird bei weitem nicht reichen. Weil die Zahl der Senioren in Deutschland stark steigt und viele Menschen zwar ein hohes Alter erreichen, aber dabei oft nicht gesund bleiben, gibt es einen enormen Bedarf an gut ausgebildetem Personal - von dem nicht klar ist, wie er gedeckt werden soll. 200 000 weitere Fachkräfte würden bis 2030 benötigt, sagt Mona Frommelt, Direktorin der Hans-Weinberger-Stiftung der AWO in Nürnberg: »Und das ist nur das Minimum.«
Die Bundesregierung hat das Problem erkannt: Eine von ihr gestartete Offensive sieht eine jährliche Steigerung der Ausbildungsplätze um zehn Prozent vor, was Verbände als ehrgeiziges Ziel ansehen. Zugleich klagen sie, dass die Politik ihr eigenes Vorhaben unterläuft. Diese plant gravierende Veränderungen bei der Berufsausbildung. Würden sie umgesetzt, sagt Birgit Hoppe vom 2013 gegründeten, bundesweiten »Bündnis für Altenpflege«, dann »geht uns viel Personal verloren«.
Der Protest richtet sich gegen Pläne, die Lehre zum Altenpfleger mit der für Kranken- und für Kinderpflege zusammenzulegen. Ein Eckpunktepapier von Schwarz-Gelb von 2012 sah eine übergreifende Ausbildung vor. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist nun festgelegt, dass zwar die jeweiligen Abschlüsse erhalten bleiben, doch sollen Teile der Lehre fusioniert werden; die Praxisausbildung erfolgt jeweils in in allen drei Bereichen.
In der Branche wehrt man sich mit Händen und Füßen. Befürchtet wird ein stark sinkendes Interesse der Betriebe daran, Ausbildungsplätze anzubieten, weil die Chance sinkt, Personal für spezielle Aufgaben anzulernen und früh an den Betrieb zu binden. Auch dürften viele der Azubis selbst dem Krankenhaus oder der Kinderpflege den Vorzug geben - unter anderem, weil dort besser gezahlt wird und das Image des Berufes besser ist. »Altenpflege wird leider oft mit Po abwischen gleichgesetzt«, sagt Sandra Streller. Doch es gehe um viel mehr: »Wir sind Begleiter der alten Menschen für lange Zeit, nicht selten bis zum Tod.«
Während das Bündnis für Altenpflege versucht, die politischen Pläne zu revidieren, bemühen sich die Verbände darum, das Ansehen des Berufes zu verbessern und junge Menschen dafür zu interessieren. In Sachsens Kinos schaltet die AWO in diesen Tagen flotte Werbespots, die an Filmtrailer erinnern und Jugendliche für eine Karriere als Altenpfleger begeistern sollen - unter dem Motto: »Die wichtigste Rolle spielt man im Leben anderer.«
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