Wird der Fall Edathy zum Fall Friedrich?

Ex-Innenminister informierte vor Monaten die SPD-Spitze: Bekam Edathy einen Tipp? / Vorermittlungen wegen möglichen Geheimnisverrats

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Berlin. Der Fall des SPD-Politikers Sebastian Edathy zieht immer weitere Kreise. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nun Vorermittlungen wegen möglicher illegaler Informationsweitergabe aus der Bundesregierung eingeleitet. »Wir sind zuständig für möglichen Geheimnisverrat im Bereich des Bundesinnenministeriums«, sagte Sprecher Martin Steltner. Der frühere Bundesinnen- und heutige Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte bereits vor Monaten den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel darüber informiert, dass der Name des damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy im Rahmen von Ermittlungen im Ausland aufgetaucht war.

Laut »Bild«-Zeitung soll Friedrich den Vorgang um Edathy am Rande der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD mit Gabriel angesprochen haben. Zugleich berichtete das Blatt, Ermittler hegten den Verdacht, dass Edathy einen Tipp erhalten habe und somit früh über die Ermittlungen gegen ihn Bescheid gewusst habe. Zugleich berichteten Medien, Ermittler hätten bei Edathy nur einen Computer und zerstörte Festplatten gefunden.

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Damit wurden Berichte des »Tagesspiegels« und von »Spiegel Online« bestätigt. Das Vorgehen stehe in engem Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren in Hannover, sagte Sprecher Steltner. Die dortige Anklagebehörde führt ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy. Die Berliner Behörde will ihr weiteres Vorgehen mit ihren dortigen Kollegen abstimmen.

Die Staatsanwaltschaft Hannover schloss nicht aus, dass durch die frühzeitige Weitergabe von Informationen die Ermittlungen im Fall Edathy womöglich gefährdet wurden. »Wenn Informationen über mögliche strafrechtliche Ermittlungen durchgestochen werden, ist das stets ein Vorgang, der Ermittlungen einer Staatsanwaltschaft erheblich gefährden kann«, sagte die Sprecherin der Behörde, Kathrin Söfker, der »Welt«.

Die Linkspartei warf Friedrich einen Missbrauch seines Amtseides vor. Mit der Weitergabe sensibler Informationen aus den Sicherheitsbehörden habe Friedrich als Bundesinnenminister »nicht der Aufklärung und Wahrheitsfindung dienen wollen, nur dem Schutz des Koalitionspartners SPD«, kritisierte das Mitglied des Bundestags-Innenausschusses, Frank Tempel, gegenüber der »Leipziger Volkszeitung«. Er forderte »umfassende Aufklärung, zu der zuallererst Friedrich beitragen sollte«.

Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki erklärte, es stelle sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage Friedrich den SPD-Vorsitzenden seinerzeit informiert habe. In der »Leipziger Volkszeitung« vom Freitag forderte Kubicki, die Staatsanwaltschaft in Niedersachsen müsse wegen »möglichen Verrats von Dienstgeheimnissen und wegen des Verdachts der Strafvereitlung im Amt« umgehend Ermittlungen gegen Friedrich aufnehmen.

Friedrich verteidigte derweil sein Vorgehen: Er war nach Angaben seines Sprechers damals von einem Staatssekretär informiert worden, dass Edathy laut BKA bei internationalen Ermittlungen auf einer Namensliste aufgetaucht sei. »Für den Minister war wichtig, dass es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren«, betonte der Sprecher. Aufgrund der »politischen Dimension« des Falls und angesichts der Gefahr, dass die Namensliste öffentlich werden könnte, habe Friedrich Ende Oktober dann SPD-Chef Gabriel vertraulich informiert.

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zufolge wurde Gabriel im Oktober erklärt, dass es ausdrücklich nicht um strafbare Inhalte gehe. Allerdings sei Gabriel auch mitgeteilt worden, dass es möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen Edathy kommen könnte. Gabriel habe darüber den damaligen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Oppermann selbst als Fraktionsgeschäftsführer informiert.

Mit Gabriel und Steinmeier habe er dann vereinbart, die Informationen vertraulich zu behandeln, um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden. Die neue SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sei nach ihrer Wahl im Dezember eingeweiht worden. Oppermann erklärte weiter, dass er mit Edathy in dieser Angelegenheit bis zu dessen Rücktritt keinen Kontakt gehabt habe.

Oppermann hatte sich nach eigenen Angaben die Informationen über die Ermittlungen gegen Edathy noch im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hat derweil diese Angaben Oppermanns zurückgewiesen. Ziercke bestätigte zwar das Gespräch. »Diese Darstellung habe ich mir angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt.«

Die Affäre um die Durchsuchung von Wohnräumen und Büros Edathys war am Dienstag bekannt geworden. Der bisherige SPD-Innenexperte selbst bestritt in einer im Internet veröffentlichten Erklärung den Vorwurf, er sei im Besitz von Kinderpornographie gewesen. Sein Bundestagsmandat hatte Edathy bereits in der vergangenen Woche mit Verweis auf Gesundheitsprobleme niedergelegt.

Bei den Durchsuchungen bei Edathy sei festgestellt worden, dass bei Computern Festplatten manipuliert oder gelöscht wurden, berichtete die Zeitung. Nach Berichten des Norddeutschen Rundfunks und der »Süddeutschen Zeitung« sollen Ermittler lediglich einen intakten Computer gefunden haben - alle anderen Rechner seien entfernt gewesen. Darüber hinaus seien Teile einer oder mehrerer zerstörter Festplatten entdeckt worden. Edathy bestritt laut NDR und »SZ« gegenüber Vertrauten, Beweismittel vernichtet zu haben. Zerstört worden sei lediglich eine Festplatte mit Unterlagen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss, den Edathy geleitet hatte.

Die Staatsanwaltschaft Hannover wollte nach Informationen des Berliner »Tagesspiegel« die Immunität Edathys aufheben lassen. Ein entsprechender Antrag an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wurde nach Angaben aus dem Parlament mit Datum vom 6. Februar in Hannover verfasst. Einen Tag später hatte Edathy notariell den Verzicht auf sein Mandat erklärt. Agenturen/nd

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