18 rostende Atommüllfässer

Im stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel ist strahlendes Erbe höchst unsicher gelagert

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Jedes vierte Atommüllfass im AKW Brunsbüttel ist korrodiert. Für Mitarbeiter und Bevölkerung geht davon angeblich keine Gefahr aus.

Das Problem rostiger Atommüllfässer im schleswig-holsteinischen AKW Brunsbüttel war erstmals vor zwei Jahren aufgedeckt worden. Inzwischen ist klar, dass es sich durch das gesamte Land zieht. Dies räumte Umweltminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Kiel ein.

Seinen Angaben zufolge sieht es an anderen AKW-Standorten kaum besser aus. Habeck bezog sich mit dieser Einschätzung auf eine Expertise der Universität Hannover, die bereits in den Jahren 2005 und 2006 eine stationäre Auswertung vorgenommen hatte und dabei von den rund 20 000 Fässern mit schwach- und mittelradioaktivem Müll immerhin zehn Prozent als korrosionsgefährdet einstufte. »Der Druck aller Bundesländer mit Atomanlagen ist sehr hoch«, sagte Habeck.

Im inzwischen stillgelegten Siedewasserreaktor in Brunsbüttel lagern insgesamt 631 solcher Fässer mit Filterharzen, Verdampferkonzentraten und Mischabfällen. Diese sind in sechs engen Kavernen, die sich im Feststofflager befinden, übereinander aufgetürmt und mit einem Betonriegel verschlossen. Nach einem eher zufälligen Rostfund bei Lade- und Hebearbeiten vor zwei Jahren inspiziert Vattenfall nun erstmals alle Kavernen mit Hilfe einer extra angefertigten Spezialkamera.

Die Untersuchung der ersten Kaverne ist abgeschlossen und brachte Erschreckendes zutage: 18 von 70 Fässern weisen eine starke, zum Teil die Stahlummantelung durchdringende Korrosion auf, wie Minister Habeck berichtete. Aus einem Fass ist Filterharz in flüssiger Form ausgetreten. Die Kavernen seien nicht etwa feucht - der Materialverschleiß sei von innen erfolgt. In den fünf noch zu untersuchenden Kavernen ist mit weiteren Rostschäden an den Fässern zu rechnen. Laut Ministerium wird der hier anzutreffende Fasstyp heute nirgends mehr verwendet. Zunächst sollen bis Oktober drei weitere Kavernen mit der Kamera geprüft werden. Für die beiden restlichen will man sich länger Zeit lassen. Die Experten der Atomaufsicht rechnen hier mit besonderen Problemen, da die Fässer dort teils mit stärker radioaktivem Material befüllt sind. Es sei bei der Öffnung und Inspektion mit »erheblicher Strahlenexposition für das beteiligte Personal« zu rechnen.

Laut Habeck sind die Korrosionsschäden derart stark, dass eine konventionelle Bergung nicht mehr funktioniere. Im nächsten Schritt sollen deshalb den defekten Fässern mit Hilfe einer Art Seilzug ein Sack übergestülpt werden, der samt Fass aus der Kaverne gehoben und dann entweder in ein Überfass gestellt oder eine Pulverumsauganlage verbracht werden. Schließlich soll der radioaktive Müll in gusseisernen Containern mit 16 Zentimeter dicken Stahlwänden landen. Diese sollen in zwei bestehenden Transportbereitstellungshallen Platz finden - in der Hoffnung, dass die Behälter irgendwann einmal in das Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle, Schacht Konrad, gebracht werden können.

Die Bergung der Fässer aus diesen vier Depots soll 2015 beginnen. Dieser komplizierte Vorgang auf dem AKW-Gelände wird voraussichtlich bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Allein die atomrechtliche Genehmigung dürfte neun Monate dauern. Vor 2021 ist nach Habecks Einschätzung nicht damit zu rechnen, dass die Endlagerstätte in Niedersachsen zur Verfügung steht.

Die jetzt rostenden Müllfässer waren ursprünglich nur für wenige Jahre Lagerung gedacht, liegen aber jetzt bereits mehr als 30 Jahre in Brunsbüttel. Vattenfall und das Kieler Umweltministerium als Atomaufsichtsbehörde betonen, dass bisher zu keinem Zeitpunkt für die Bevölkerung oder die Beschäftigten auf dem Areal des Meilers gesundheitliche Gefahren bestanden haben. Habeck: »Die Kavernen sind sicher!«

Atomkraftgegner Karsten Hinrichsen aus Brokdorf und Parteifreund von Habeck, orakelt angesichts der erschreckenden Nachricht aus Brunsbüttel, wie es denn um die Endlagerung insgesamt bestellt ist: »Falls auch die Haltbarkeitsdauer von Castorbehältern falsch berechnet wurde, bräche das gesamte Entsorgungskonzept in sich zusammen.«

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