Von der Leyens »weiche« Landung

Milliardenverschwendung im Bendler Block - eine Reißleine wird da nicht reichen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Beste sei gerade gut genug für die Soldaten im Einsatz, sagt das Verteidigungsministerium - und hortet Kostenrisiken in unbekannter Milliardenhöhe. Alles nur Managementfehler?

Kein böses Wort gegen ihren Vorgänger! Ursula von der Leyen, die Neue im Bendler-Block, sagt: Ohne die Vorarbeiten ihres Parteifreundes Thomas de Maizière hin zu mehr Transparenz wäre sie noch härter aufgeschlagen. Nachdem er als Verteidigungsminister beim Projekt EuroHawk die Reißleine gezogen hat, weil die Bundeswehr für immer mehr Geld immer weniger Aufklärungsdrohne bekommen hat, ahnte seine Nachfolgerin, dass der Vogel nicht das einzige flügellahme Protzprojekt im Rüstungsbereich ist.

Sie begann zu fragen und erfuhr, dass sogar wichtige Projekte bis zu zehn Jahren hinter ihrem Fertigstellungstermin hinterherhinken, dass Industrie und Beamte im Verein Entwicklungsrisiken generell klein reden, dass ihr Haus Minderleistungen der Industrie achselzuckend akzeptiert, dass man sich um Zulassungsprobleme zu selten Gedanken macht und dass man die wahren Kosten von Waffen und Gerät verschweigt. Nur scheibchenweise kommt die Wahrheit ans Licht, klagt die Ministerin und ist dabei vermutlich noch zu optimistisch.

Beispiel 1, der Panzerabwehrhubschrauber »Tiger«, ein deutsch-französisches Projekt. 1987 hat man dessen Entwicklung vereinbart. Damals gab es noch Panzer, gegen die er im Ernstfall hätte antreten können. 1998 berechnete man als Gesamtbeschaffungskosten für einen inzwischen zum »Unterstützungshubschrauber Tiger« umbenannten Helikopter 15 385 365 Euro. Fünf Jahre später vereinbarte man mit dem Hauptauftragnehmer Airbus Helicopter (ehemals Eurocopter) eine Reduzierung der Stückzahl auf 57 »Tiger«. Da man auch die Stückzahlen des Transporthubschraubers NH90 reduzierte und ein paar Marineversionen bestellte, die die Marine gar nicht haben will, schloss man einen sogenannten Global Deal. Spätestens dann wusste keiner mehr, was was wirklich kostet.

Zudem trödelte der »Tiger«. Unterm Strich beträgt die Verzögerung bei den aktuell ausgelieferten Kampfhornissen sechseinhalb Jahre. So entstanden stattliche Folgekosten. Bislang, so sagt das Ministerium, waren rund 34,6 Millionen mehr aufzuwenden. Doch die Verträge laufen noch. Die vom Hersteller gezahlten Vertragsstrafen werden mit gerade einmal 25,15 Millionen Euro angegeben.

Immerhin, bei anderen Rüstungsgroßprojekten wurden erst gar keine Strafkonditionen vereinbart. Und beim Transporthubschrauber NH-90 hat man einfach keine einbehalten. Das erste System in der angeblichen Version »Full Operational Capability« wurde im November 2013 ausgeliefert. Freilich mit Einschränkungen, die aus heutiger Sicht bis Mitte 2016 behoben werden.

Seit Jahren zählt das Transportflugzeug A400M zu den Problemfällen. 124,79 Millionen Euro sollte so eine Maschine noch im Jahr 2002 kosten. 60 waren geordert. 2011 reduzierte man die Bestellung um sieben Flugzeuge. »Im Rahmen dieser Vertragsänderung wurde eine Anpassung der Gesamtbeschaffungskosten auf 9,29 Milliarden Euro und somit der Beschaffungskosten pro Systemeinheit auf 175,31 Millionen Euro vereinbart«, sagt das Ministerium. Dabei hat der Vogel laut 38. Änderungsvertrag eine Verzögerung von vier Jahren.

Als man einen Vertrag zur Beschaffung des neuen Schützenpanzers »Puma« unterschrieb, sollte eines dieser Eisendinger rund 6,5 Millionen Euro kosten. Statt der bestellten 405 Panzer will man jetzt nur noch 350 Serienfahrzeuge. »Unter Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten Preiseskalation und Umlegung der Zusatzleistungskosten in Höhe von ca. 651 Millionen Euro auf die 350 Serienfahrzeuge ergibt sich im aktuellen Preisstand ein Stückpreis von rund 9,9 Millionen Euro.

Fünf Korvetten des 130er Typs waren bestellt, die Verzögerungen bei der Auslieferung bewegen sich zwischen acht und 55 Monaten. Bei drei Booten trieb man als Vertragsstrafe je 511 291,88 Euro pro Boot ein, für die «Magdeburg» begnügte man sich mit gut 30 000 Euro, bei der «Braunschweig» drückte man alle Augen zu. Das lässt nichts Gutes für den Bau von vier Fregatten und von zwei U-Booten erwarten.

Noch ist von der Leyen neu als Chefin des Bendler-Blocks und darf über diese Vergeudung von Steuergeldern entsetzt sein. Doch wie viele Reißleinen kann sie noch ziehen, bevor sich kein Fallschirm mehr über ihr öffnet?

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!