Fall Edathy: Kritik am BKA nimmt zu
Hat das Bundeskriminalamt Material über Edathy bewusst ignoriert? Riexinger: Abgründe kalkulierten Staatsversagens / SPD-Politiker will sich am Montag äußern
Berlin. Das Bundeskriminalamt BKA gerät wegen seines Agierens im Fall Edathy immer mehr in die Kritik. Politiker von Linkspartei, Grünen und FDP äußerten in der »Bild«-Zeitung ihr Unverständnis darüber, dass das BKA zwei Jahre lang nicht auf Edathys Namen im vorliegenden Material zu den deutschen Kunden eines kanadischen Kinderporno-Versandhändlers gestoßen sein will.
Der Zeitung zufolge kursiert unter den Innenpolitikern im Bundestag der Verdacht, das BKA könnte Informationen über den im Januar 2012 zum Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsauschusses gewählten SPD-Angeordneten Sebastian Edathy bewusst ignoriert haben. So habe man in der NSU-Affäre einen politischen Skandal vermeiden wollen. Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz sprach von einem »schwerwiegenden Verdachtsmoment«.
»Es ist absolut nicht plausibel, dass die Informationen über Edathy im BKA zwei Jahre lang nicht ausgewertet wurden«, sagte der Linkenvorsitzende Bernd Riexinger. »Viel wahrscheinlicher ist, dass die Spitze der Behörde über das belastende Material Bescheid wusste, als sie vom NSU-Ausschuss befragt wurde. Da tun sich Abgründe des kalkulierten Staatsversagens auf.« FDP-Vize Wolfgang Kubicki hält die Darstellung des BKA für »überaus unwahrscheinlich«. Er sagte der »Bild«-Zeitung: »Entweder da waren Trottel am Werk oder man wollte einen Skandal vermeiden.«
Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte der Zeitung: »Es ist mir völlig unerklärlich, wie das BKA zwei Jahre lang nicht bemerkt haben will, dass der Name des Abgeordneten Edathy auf der Liste der verdächtigen Kinderporno-Käufer steht. Genauso verwunderlich ist auch, dass das BKA erst ein Jahr nach Erhalt der Namensliste mit den Ermittlungen begonnen hat.«
Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Edathy will sich am Montag zu den Vorwürfen gegen ihn äußern, verbotene Bilder von unbekleideten Kindern besessen zu haben. Das kündigte er am Sonntagabend auf seiner Facebook-Seite an. »Morgen Pressemitteilung. Es werden seit Wochen Regeln von Recht und Anstand massiv verletzt«, hieß es dort. Edathy soll sich derzeit im Ausland aufhalten. Dem »Spiegel« hatte der gesagt, er habe telefonische Morddrohungen erhalten. Er könne daher weder in seine Heimat Niedersachsen noch nach Berlin zurückkommen.
Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen Edathy wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischem Material. Für politischen Wirbel sorgt der Fall, weil der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im vergangenen Oktober SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber informiert hat, dass der Name Edathy bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Gabriel setzte dann weitere SPD-Spitzenpolitiker in Kenntnis. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann machte das Gespräch Friedrichs mit Gabriel vor wenigen Tagen öffentlich. Friedrich - inzwischen Landwirtschaftsminister - geriet in den Verdacht des Geheimnisverrats und trat zurück.
Unterdessen hat der langjährige Vorsitzende des Immunitätsausschusses des Bundestages, Dieter Wiefelspütz, die Forderung zurückgewiesen, aus Anlass des Falles Edathy das Immunitätsrecht für Bundestagsabgeordnete zu ändern. Dies sei »grobe Unfug«, sagte Wifelspütz dem »Kölner Stadt-Anzeiger« mit Blick auf einen Vorstoß des brandenburgischen Generalstaatsanwaltes Erardo Rauterberg. Wiefelspütz sprach von einem »Ablenkungsmanöver«, versagt habe die Staatsanwaltschaft Hannover, die viel zu spät Ermittlungen eingeleitet habe. Das Immunitätsrechts sei ein »bewährtes Instrument«, das das Parlament »vor unsachgemäßer Arbeit der Justiz« schütze. Rautenberg hatte angeregt, die Immunität von Abgeordneten einzuschränken, um die Zahl der Mitwisser bei Ermittlungen zu begrenzen. Agenturen/nd
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