Werbung

Linke macht Druck bei Ghettorenten

Bundesregierung aufgefordert, binnen drei Monaten Ungerechtigkeiten zu beseitigen / Über 21.000 Überlebende müssen »Rechnung für Behördenversagen zahlen«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Linksfraktion im Bundestag drängt auf eine schnelle Lösung des Problems der so genannten Ghettorenten. In einem Antrag, der vor dem Hintergrund des Kabinettsbesuches in Israel ins Parlament eingebracht wurde, wird die Große Koalition aufgefordert, »binnen drei Monaten« einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Ungerechtigkeiten bei der Auszahlung überwindet, durch die weit über 20.000 Betroffenen Rentenleistungen in vier- bis fünfstelliger Höhe vorenthalten wurden.

So seien in den ersten Jahren weit über 90 Prozent der Anträge von Überlebenden abgelehnt worden, weil zentrale Begriffe wie die »Freiwilligkeit« der Arbeitsaufnahme und die Arbeit »gegen Entgelt« von den Behörden »restriktiv interpretiert worden« seien, heißt es in dem Antrag. Später wurde nach einem Urteil des Bundessozialgerichts eine Neuüberprüfung aller bis dahin abgelehnten Anträge möglich, diese wurde zu über der Hälfte nachträglich bewilligt. Die dann erfolgten Nachzahlungen wurden aber wie im Sozialrecht üblich auf einen Zeitraum von vier Jahren rückwirkend befristet. »Das bedeutete für 21.500 Betroffene, dass ihnen die Rente nicht, wie vom Deutschen Bundestag einst angestrebt, mit Wirkung ab 1997 ausgezahlt wurde, sondern erst ab 2005«, heißt es in dem Antrag der Linksfraktion.

Ein Gesetz solle nun die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass die Betroffenen eine rückwirkende Auszahlung der Rente ab dem 1. Juli 1997 erhalten, so die Linksfraktion. »Das Problem mit den Ghettorenten muss jetzt unverzüglich gelöst werden«, forderten die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke und der rentenpolitische Sprecher Matthias W. Birkwald. »Es kann nicht angehen, dass NS-Opfer, die im Ghetto schuften mussten, die Rechnung für ein Versagen der deutschen Behörden zahlen müssen«, kritisierte Jelpke.

Birkwald erklärte mit Blick auf die Ankündigung von Arbeitsministerin Andrea Nahles, zügig einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, dies begrüße man »ausdrücklich. Leider zeigt die Erfahrung, dass insbesondere die Union hier stark auf die Bremse tritt. Deshalb machen wir mit unserem Antrag Druck.« Wenn Deutschland hier seiner auch historisch geprägten Verantwortung nachkommen wolle, »dürfen wir nicht länger warten. Tausende von Berechtigten sind schon gestorben, ohne jemals ihre vollen Leistungen erhalten zu haben«, so Birkwald.

»Die bisherigen Verzögerungen waren bereits unverhältnismäßig, jede weitere Verzögerung schadet der Ernsthaftigkeit des Anspruchs, die Opfer des Holocaust zu würdigen«, schreibt die Linksfraktion in ihrem Antrag. Es sei »beschämend genug, dass die ins Ghetto gezwungenen Menschen erst über 50 Jahre nach ihrer Befreiung erstmals einen Rentenanspruch zugebilligt bekommen haben, es ist auch beschämend genug, dass die Umsetzung dieser Rentenansprüche in ihrer vollen Höhe bis zum heutigen Tag in zahlreichen Fällen nicht gewährleistet ist«. nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -