Gegen Friedrich wird ermittelt
Verdacht auf Verrat im Fall Edathy - Affäre sorgt auch in Niedersachsen für Ärger
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Hans-Peter Friedrich eingeleitet. Es gebe den Verdacht, dass er in seiner Amtszeit als Innenminister Geheimnisse verraten habe, sagte Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner. Friedrich war am 14. Februar als Agrarminister zurückgetreten. Er hatte Mitte Oktober den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über den Kinderpornografie-Verdacht gegen den damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy informiert. Nach eigenen Angaben hatte der CSU-Mann Schaden von einer neuen schwarz-roten Koalition abwenden wollen. Friedrich ist weiterhin Bundestagsabgeordneter. Justizsprecher Steltner sagte, in einem Schreiben sei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) von den geplanten Ermittlungen unterrichtet worden. Nach geltender Norm hat die Justiz 48 Stunden nach Eingang einer solchen Unterrichtung freie Hand zum Ermitteln.
Während das Geschehen um Friedrich die politische Szene in Berlin bewegte, nutzte die Opposition im niedersächsischen Landtag den Fall Edathy als Vehikel, um der rot-grünen Koalition an den Karren zu fahren, vor allem der SPD. Sie ducke sich weg, anstatt sich deutlich von ihrem ehemaligen Genossen zu distanzieren. Auch die Landesregierung tauche ab, tue zu wenig, um zu klären, wann und von wem Edathy frühzeitig über die anstehenden Ermittlungen informiert wurde. »Da beschafft sich einer Nacktbilder zur Lustbefriedigung, wird vorgewarnt und kann rechtzeitig ins Ausland entschwinden«, schimpfte CDU-Fraktionsvorsitzender Björn Thümler.
Derart angefressen von den Attacken der Union waren SPD und Grüne, dass sie eine sofortige Zusammenkunft des Ältestenrates durchsetzten und die Plenarsitzung dafür unterbrechen ließen. Den Anlass hatte Björn Thümler geliefert, als er an den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss erinnerte. Der war 2010 wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Wenn die SPD in Sachen Edathy von einem »Einzelfall« spreche, dann vergesse sie, dass auch Tauss einer sozialdemokratischen Fraktion angehörte. Aber »das ist bei ihnen scheinbar virulent, dass sie verdrängen anstatt aufzuklären«, rief der CDU-Fraktionschef der SPD zu. Sie und die grünen Partner quittierten das mit lautstarkem Protest, forderten eine Entschuldigung. Doch die verweigerte Thümler, das Gespräch über die Sache im Ältestenrat blieb fruchtlos.
Sebastian Edathy, so forderte Thümler im Parlament, solle endlich sein Versteckspiel aufgeben und sich den Ermittlungen stellen. Sollte unter den Fotos auch nur ein einziges strafbares sein, müsse die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erwirken und den Mann ausliefern lassen.
Zum Vorwurf der CDU, die SPD habe im Zusammenhang mit der Edathy-Affäre »kein Wort des Bedauerns« gegenüber den Opfern geäußert, erwiderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Sozialdemokraten, Grant Hendrik Tonne: Der zuständige Unterbezirk der Partei habe sich klar zu der Sache geäußert und erklärt, ein Handel mit Nacktbildern von Minderjährigen sei nicht akzeptabel.
Ministerpräsident Stephan Weil, auch SPD-Landesvorsitzender, betonte: Das Parteiordnungsverfahren gegen Sebastian Edathy sei richtig. Die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen sei zu bekämpfen, unabhängig von der Strafbarkeit des Materials. Wenn die Opposition ununterbrochen suggeriere, in den Reihen des Landtages gebe es geteilte Ansichten in dieser Sache, dann sei das »Brunnenvergiftung pur«.
Protest bei der Union flammte auf, als Weil das Verlangen der CDU kommentierte, das Justizministerium möge die Staatsanwaltschaft Hannover vom Fall Edathy abziehen. Diese Forderung werde sowohl von der Union als auch von Sebastian Edathy erhoben - »das sollte zu denken geben«, sagte der Regierungschef. Sie wolle nicht mit Edathy in einen Topf geworfen werden, tönte es nun aus den Reihen der CDU. Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) wies das Ansinnen der Union entschieden zurück und gab zu bedenken: Jede Beeinflussung und Beeinträchtigung der Ermittlungsabläufe schadeten dem Rechtsstaat und den Beteiligten, die dieser Staat schützen müsse.
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