Gera will ständige Wismut-Ausstellung
Ausschnitt der beeindruckenden Sammlung des ehemaligen Bergbauunternehmens tourt durch Thüringen
Die Szenerie ähnelte sich: Hunderte folgten der Einladung zur Ausstellungseröffnung in Gera. Auch die Räume der Neuen Galerie Chemnitz hatten schon kaum den Besucherstrom fassen können: Die Schau »Sonnensucher« mit Bildern aus dem Bestand der Wismut GmbH war die erfolgreichste Ausstellung der vergangenen zehn Jahre in Chemnitz. Auch in Gera drängten sich die Besucher bereits zur Vernissage in der Orangerie. Die Veranstalter erwarten einen ähnlichen Erfolg wie in Chemnitz.
Vor den Portraits von mit Orden dekorierten Bergarbeitern von Lutz R. Ketscher oder Alexandra Müller-Jontschewa stehen Frauen und Männer mit ebensolchen Uniformjacken, die Brust geschmückt mit zahlreichen Auszeichnungen. Sie schauen in die Gesichter, die ihnen bekannt sind. Es ist ein Blick zurück in eine Zeit, als ihr Leben mit der Wismut noch Ordnung war. »Bergbau stiftet Identität«, sagt Kultusminister Christoph Matschie zur Begrüßung, und: »Die Sammlung ist ein einmaliges kulturelles Erbe, das es zu bewahren gilt«. Das sind Töne, die im Raum reichlich Beifall finden.
Die Wismut GmbH ist aus der SDAG Wismut hervorgegangen. Das Bergbauunternehmen hatte die DDR bis 1990 zum weltweit viertgrößten Uran-Produzenten gemacht. Nun möchte die GmbH, die sich um die Hinterlassenschaften der Wismut kümmert, die Kunstsammlung dauerhaft aus dem Depot holen. Gera ist wie keine andere Stadt mit dem Uranbergbau verbunden und empfiehlt sich daher als besonders geeigneter Ort dafür. Vom Erfolg der aktuellen Ausstellung wird es abhängen, ob die Stadt den Zuschlag erhält. Christoph Matschie will unterdessen Geld beim Bund beschaffen.
Die Sammlung findet so viel Interesse, weil die Bilder viele Menschen an glückliche Tage erinnern, an Vollbeschäftigung, die einen Sinn hatte, und an Kollektive, in denen sie sich geborgen fühlten. Rund 4200 Arbeiten gehören zur Ausstellung, darunter 280 Gemälde. Allein die große Zahl von 450 Künstlerinnen und Künstlern macht deutlich, dass sich im Depot nicht nur Werke befinden, die sich mit dem Arbeitsalltag im Uranbergbau auseinandersetzen. Vor allem im grafischen Bereich ist das »Who is Who« der DDR-Kunst vertreten.
Auch Oberbürgermeisterin Viola Hahn ist von der Sammlung überzeugt und möchte sie gerne in Gera behalten. In den nächsten Wochen soll nach Lösungen gesucht werden. Doch wo könnte das Konvolut eine Bleibe finden? Der Chipperfield-Bau, aus dem ein neues Kunsthaus für überregionale Expositionen werden sollte, ist gerade verkauft. Die Stadt leidet nicht zuletzt durch die Schließung des Uranbergbaus unter Abwanderung und enormer Geldnot. Hundert Millionen Euro müssen aktuell eingespart werden, um das Haushaltsloch zu stopfen. An den Museen ist das besonders deutlich zu sehen: Die Schließzeiten werden ausgedehnt, die Eintrittspreise erhöht. Das Museum für Angewandte Kunst (MAK) steht vor dem Aus, und wenn das Gebäude geräumt werden muss, fehlt eine gewaltige Depotfläche für die umfangreiche Sammlung von Kunsthandwerk des 20. Jahrhunderts und Fotodesigns.
Es ist wie bei der Quadratur des Kreises: Bekommt Gera die Sammlung, muss sie präsentiert und gepflegt, möglichst aber auch erweitert werden. Doch die bestehenden Museen arbeiten mit wenig Personal und noch weniger Sachkosten bereits am Limit. So scheint ausgerechnet die Wismut-Sammlung geeignet, über den Umgang mit den Kunstschätzen der Vergangenheit nachzudenken. Eine Chance.
»Sonnensucher! Die Kunstausstellung der Wismut. Eine Bestandsaufnahme«, bis 21. April, Orangerie Gera, Mi-So 12-17 Uhr
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