Berlin: Demonstrationen für und gegen Putin
Lage auf der Krim ruhig aber weiter angespannt / Russland: Wir wollen keinen Krieg / Rufe nach Beobachtermission / G7 setzen G8-Vorbereitungen aus
Berlin. In Berlin soll es am Montag Demonstrationen für und gegen die Politik Russlands gegenüber der Ukraine geben. Gegen den »faschistischen« Putsch in Kiew, wie der Machtwechsel in der Ukraine von der russischsprachigen Bevölkerung genannt wird, demonstrieren gegenüber der Russischen Botschaft Unterstützer der Politik von Präsident Wladimir Putin, wie die Polizei mitteilte. Direkt vor der Botschaft soll es jedoch auch eine Mahnwache gegen die russische Politik geben. Dort hatten bereits am Sonntag 350 Menschen gegen Putin demonstriert.
Auf der ukrainischen Halbinsel Krim, auf der überwiegend Russen leben, war die Lage am Montagmorgen ruhig aber weiter angespannt. Das russische Militär hat inzwischen nach US-Erkenntnissen »totale operative Kontrolle« auf der Halbinsel. Zu den präsenten Streitkräften auf dem Boden zählten 6.000 Fallschirmjäger und Marinesoldaten, sagte ein hoher US-Regierungsbeamter vor Journalisten. »Weitere Verstärkungen werden eingeflogen«.
Russland versicherte allerdings erneut, es wolle keinen Krieg mit der Ukraine. »Wir sind dagegen, dass jemand diese Terminologie verwendet im Verhältnis mit der uns nahen Ukraine«, sagte Vizeaußenminister Grigori Karassin im Staatsfernsehen. Russland werde alles tun, um die bilateralen Beziehungen zu festigen - »zumal davon die Stabilität in Europa« abhänge. »Das sollten auch die westlichen Politiker verstehen, die uns mit den letzten Worten beschimpfen«, sagte der Diplomat.
Russland setze darauf, dass die Erlaubnis des Föderationsrats für Kremlchef Putin, notfalls das Militär zum Schutz russischer Bürger in der Ukraine einzusetzen, bereits eine »ernüchternde Wirkung« habe. Die neue Regierung in Kiew müsse sich mit den Belangen der Bürger beschäftigen, mahnte Karassin. Kremlchef Putin macht seine Entscheidung für eine Invasion von der Entwicklung der Lage abhängig. Einen offiziellen Marschbefehl gab es aber noch nicht.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schickte am Sonntag seinen Stellvertreter Jan Eliasson in die Ukraine. Dort solle sich Eliasson ein Bild der Situation machen, um dann Ban zu beraten, welche Schritte die UN zur Deeskalation unternehmen könnten. Nach Darstellung der Bundesregierung akzeptierte Putin Merkels Vorschlag, eine sogenannte »Fact finding mission« zur Untersuchung der Lage in der Ukraine zu starten. Außerdem solle eine Kontaktgruppe gebildet werden, um einen politischen Dialog zu beginnen. Diese könnte unter Leitung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stehen.
Auch aus Sicht der Grünen sollte die Bundesregierung die Entsendung internationaler Beobachter in die Ukraine unterstützen. Diese könnten »dazu beitragen, ein klares und unabhängiges Bild der Vorgänge zu erhalten«, erläuterte Grünen-Sicherheitsexpertin Agnieszka Brugger. Die Nato regte ebenfalls die Entsendung internationaler Beobachter unter der Ägide des UN-Sicherheitsrates oder der OSZE an. Wichtig sei ein politischer Prozess in der Ukraine, bei dem auch die Rechte von Minderheiten respektiert würden, hieß es am Abend in einer Erklärung der Botschafter der 28 Nato-Staaten. Die Nato-Regierungen verurteilten das Vorgehen Russlands scharf, verzichteten aber auf jedwede Drohungen.
Angesichts der Lage auf der Krim hat der neue Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Hans-Peter Friedrich, ein hartes Vorgehen der EU gegen Russland verlangt. »Europa muss jetzt an der Seite der Ukraine stehen und Putin Grenzen aufzeigen«, sagte der CSU-Politiker der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Jetzt entscheide sich, ob Europa außenpolitisch eine ernstzunehmende Größe sei, erklärte Friedrich. Nach Einschätzung von Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, sollten die USA und Europa mit einer Stimme sprechen und Putin »klar machen, dass sein militärisches Vorgehen zu einer umfassenden Selbstisolierung Russlands führt«. Der CDU-Politiker betonte, dass Deutschland Selbstbestimmungsrecht, Souveränität und Integrität der Ukraine unterstütze. »Wir werden alle politisch-diplomatischen Mittel ausschöpfen, um diese Rechte zu verteidigen«, kündigte Röttgen an.
Im Konflikt um die Ukraine hatten die sieben führenden Industrienationen der Welt (G7) in der Nacht zum Montag alle Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel mit Russland im Juni in Sotschi ausgesetzt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warf Präsident Putin am Sonntagabend in einem Telefonat vor, mit der »unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben«. US-Präsident Barack Obama erörterte am Sonntagabend unter anderem mit Merkel und dem britischen Premier David Cameron weitere Schritte. Die G7-Staaten und die EU riefen Moskau außerdem auf, etwaige Sicherheits- oder Menschenrechtsbedenken direkt in Kiew anzusprechen oder eine Vermittlung oder auch Beobachtung der Vereinten Nationen oder Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu akzeptieren. »Wir stehen bereit, bei diesen Bemühungen zu helfen«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der G7. Agenturen/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!