Ammenmärchen vom Wettbewerb

Hessens Regierung legt ein neues Krankenhausgesetz vor - das Finanzierungsproblem bleibt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die neue schwarz-grüne Koalition in Hessen macht Tempo bei der Änderung des Krankenhausgesetzes. Sie will den fragwürdigen Entwurf der CDU/FDP-Vorgängerregierung durch den Landtag bringen.

Mit dem Entwurf eines neuen Krankenhausgesetzes befasst sich Hessens Landtag in seiner Plenarsitzung am Mittwoch. Kernpunkt des Papiers ist die Umstellung der in Länderverantwortung liegenden Investitionsförderung für größere Baumaßnahmen und Medizintechnik der Krankenhäuser von der Einzelförderung auf pauschale Beträge. Diese sollen nach einem mathematischen Schlüssel einheitlich gestaltet sein und sich an den medizinischen Leistungen der einzelnen Kliniken orientieren.

Nach einer Übergangsfrist, in der per Einzelförderung aktuell laufende und geplante Baumaßnahmen noch zu Ende gebracht werden können, soll ab 2016 die Pauschalierung in Kraft treten - auf der Grundlage von 250 Millionen Euro jährlich. Dazu kommt ein über zehn Jahre laufendes Sonderprogramm mit einem Gesamtvolumen von 120 Millionen Euro. Den Gesetzentwurf hat die neue schwarz-grüne Koalition unverändert von der schwarz-gelben Vorgängerregierung übernommen.

Das Gesetz verschaffe den Kliniken eine «größere Flexibilität», denn sie könnten dann selbstständig über größere Investitionen entscheiden und müssten nicht mehr warten, bis sie auf dem Wege der Einzelförderung an der Reihe sind, erklärte Sozialminister Stefan Grüttner (CDU). Er forderte die Kliniken auf, sich in größeren Verbünden zusammenzuschließen. «Damit erhalten die Krankenhäuser Planungssicherheiten und Gestaltungsfreiräume», unterstrichen die gesundheitspolitischen Fraktionssprecher Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Marcus Bocklet (Grüne) in einer gemeinsamen Erklärung. Dies komme «den Patienten zugute, die in modernen und baulich optimal ausgestatteten Krankenhäusern betreut werden sollen».

Bocklet räumte vor Journalisten auf Anfrage allerdings ein, dass auch mit dem neuen Modus das Problem der Unterfinanzierung und des Investitionsstaus in zahlreichen Krankenhäusern nicht aus der Welt sei.

«Mit der Pauschalierung werden die Mittel nicht mehr und das Land gibt jegliche Steuerungsmöglichkeit aus der Hand», kritisierte der SPD-Abgeordnete Thomas Spies: «Dass Wettbewerb unter Krankenhäusern eine sinnvolle Patientenversorgung sichert, ist ein Ammenmärchen.» Wahrscheinlich würden nun die Krankenhäuser «den schnellen Profit suchen», so Spies. Der Investitionsstau werde so «auf keinen Fall abgearbeitet». Er verwies darauf, dass die Grünen noch 2013 Kritik an der Pauschalierung geübt hätten: «Schwarz-Grün ist das neue Schwarz-Gelb, so schnell ändern sich die Meinungen.» Der Weg der Pauschalfinanzierung sei «nur akzeptabel, wenn die Pauschalen tatsächlich den Bedarf decken. Doch damit, so erklärte auch die LINKEN-Abgeordnete Marjana Schott, sei leider nicht zu rechnen. In den vergangenen Jahren hätten die Förderbeträge des Landes »deutlich unter dem auskömmlichen Niveau« gelegen.

Unterdessen halten die Klagen über fragwürdige Zustände in hessischen Kliniken an. In den Frankfurter Universitätskliniken sei durch die Ausgliederung der Gebäudereinigung an Private und zunehmende Arbeitshetze die Hygiene und damit letztlich auch die Gesundheit der Patienten akut gefährdet, beklagte kürzlich die Gewerkschaft IG BAU. Dort sind die Beschäftigten in der Reinigungsbranche organisiert.

Im städtischen Klinikum Frankfurt-Höchst sorgen Pläne des schwarz-grünen Magistrats der Mainmetropole für Ängste: Danach soll ein Verbund mit drei Krankenhäusern und einem Altenheim im benachbarten Main-Taunus-Kreis gebildet werden, als nächster Schritt könnte - nach Bildung einer neuen Dachgesellschaft - die Privatisierung drohen. Eine entsprechende Magistratsvorlage für den Verbund stützt sich auf ein 400 000 Euro teures Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. »Das Honorar hätte man sich sparen können, denn die Einsicht, dass so ziemlich alle Krankenhäuser der höchsten Versorgungsstufe mit Verlusten zu kämpfen haben, ist nichts Neues«, heißt es in einer Publikation der LINKEN im Frankfurter Rathaus.

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