Zehn Bundesländer ohne direkte Demokratie

Hohe rechtliche Hürden behindern Volksbegehren auf Landesebene

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 1946 wurden insgesamt 287 Anträge auf Volksbegehren initiiert, bei 21 kam es zu Volksentscheiden. Zwei davon allein im vergangenen Jahr.

Gleich zwei Volksentscheide zum Energienetz standen 2013 zur Abstimmung: in Hamburg und in Berlin. Zufällig waren diese auch die einzigen Bürgerbegehren überhaupt, die es im vergangenen Jahr bis zum Volksentscheid gebracht haben. Nicht ganz zufällig hatten sie Bürger der beiden größten deutschen Städte auf den Weg gebracht: Nicht, weil die Metropolenbewohner ein höheres politisches Bewusstsein hätten als die Menschen in der restlichen Republik. Sondern weil die Hürden für das Instrument der direkten Demokratie hier niedriger sind als in den meisten anderen Bundesländern.

Insgesamt hat es laut Volksbegehrensbericht 2012 des Vereins Mehr Demokratie in der Geschichte der Bundesrepublik 21 Volksentscheide auf Landesebene gegeben - konzentriert auf nur sechs Bundesländer. Zehn Länder sind damit bisher leer ausgegangen. Und die meisten Deutschen konnten sich noch nie an einem Volksentscheid beteiligen. »Das Erlebnis, dass ich als Bürger bürgen kann, das gibt es in den meisten Bundesländern gar nicht«, schlussfolgerte daraus Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in Berlin.

Die Organisation sieht vor allem zwei Hürden: kurze Sammelfristen und hohe Quoren. In Hessen, dem ersten Bundesland, das das Instrument vor 67 Jahren einführte, muss sich innerhalb von zwei Monaten ein Fünftel der Bevölkerung per Unterschrift für ein Plebiszit aussprechen - das wären 1,2 Millionen Unterschriften. Hessen hat damit das höchste Quorum aller Bundesländer. Die Sammelfrist wird nur von Bayern und Baden-Württemberg mit jeweils 14 Tagen unterboten. »Kein Wunder, dass es in Hessen bisher kaum Versuche gab, ein Volksbegehren zu initiieren«, sagte Beck. Erst sieben Anläufe wurden genommen, davon kam es einmal zu einem Volksbegehren. Und kürzlich wurde eine neue Initiative unternommen, dieses Mal zur Schulreform.

Das entspricht dem Trend. Die meisten Begehren aus dem Jahr 2013 sind dem Themenbereich Bildung und Kultur zuzuordnen: vier von neun eingeleiteten Verfahren und damit 44 Prozent. Auch im Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte lag der Bereich mit 80 von insgesamt 287 Verfahren an erster Stelle (28 Prozent). An zweiter Stelle folgte im letzten Jahr der Bereich Wirtschaft (zwei Verfahren), dann folgten Demokratie, Umwelt/Verbraucher und Verkehr mit jeweils einem Begehren. Leer ging im Jahr 2013 der Bereich Soziales aus.

Für die nächsten Jahre erwartet Mehr Demokratie eine höhere Bürgerbeteiligung dieser Art, da einige Bundesländer gerade ihre Regeln für Volksentscheide reformiert haben (Saarland) oder eine Reform angekündigt wurde (u.a. Hessen). »Die Zahl der Volksbegehren in Berlin lag immer im Mittelfeld. Nach einer Gesetzesreform setzte sich Berlin dann an die Spitze«, so Beck.

Mehr Demokratie fordert darüber hinaus, das Instrument auch auf Bundesebene einzuführen. Ein Umweg über die Europäische Union hält Beck für unangebracht. »Viele politische Entscheidungen werden mittlerweile auf der europäischen Ebene getroffen - dort, wo sie nicht demokratisch legitimiert sind.« Ein Volksentscheid auf Bundesebene gäbe den Menschen ein Instrument in die Hand, sich dennoch politisch zu beteiligen.

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