Das Ende eines Kavaliersdelikts
Kurt Stenger über die Bedeutung des Richterspruchs
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt Steuerhinterziehung in Kreisen der Gutbetuchten als Volkssport. Während Lohnempfänger Jahr für Jahr brav ihren Obolus an den Staat entrichteten, behielten Bezieher von Kapitaleinkommen diese unter dem Schutz des Schweizer Bankgeheimnisses ganz für sich. Man musste sich schon dumm anstellen, von den Finanzbehörden ertappt zu werden. Auch deshalb galt die Straftat Steuerhinterziehung ganz allgemein als »Kavaliersdelikt«.
Mit dem Urteil gegen Uli Hoeneß gehören diese Zeiten endgültig der Vergangenheit an. Wenn selbst ein Super-Promi wie der Präsident des FC Bayern für mehrere Jahre in den Knast soll, kann auch ein unbekannter Geldadelsvertreter nicht mit Schonung rechnen. Richter Rupert Heindl folgte der harten Linie, die der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Grundsatzurteilen vorgegeben hat und darin Landgerichte zur Raison rief, die bei Steuerhinterziehung allzu gerne Gnade vor Recht ergehen ließen. Das Urteil gegen Hoeneß stellt zudem klar, dass eine unvollständige und späte Selbstanzeige dem Täter nichts nutzt. Unwahrscheinlich, dass der BGH im Falle einer Revision dies anders sieht.
Während die Justiz gegen Steuerhinterzieher hart vorgeht, werden diese vom Gesetzgeber mit Glacéhandschuhen angefasst. Das passt einfach nicht mehr zusammen. Die Politik muss sich fragen lassen, ob es noch zeitgemäß ist, dass eine korrekte Selbstanzeige automatisch zu Straffreiheit führt. Die SPD, die diese Möglichkeit abschaffen möchte, müsste den juristischen Rückenwind nutzen und dies in der Großen Koalition gegen die Union und deren Finanzminister Wolfgang Schäuble durchsetzen.
Ursprünglich sollten Selbstanzeigen dem in diesem Bereich unwissenden Staat zusätzliche Steuereinnahmen bescheren. Eine Argumentation, die längst überholt ist. Erst das Auftauchen mehrerer Steuer-CDs mit den Daten tausender Schwarzgeldkonten in der Schweiz löste einen Boom bei den Selbstanzeigen aus. Mit »tätiger Reue«, Voraussetzung für die Strafbefreiung, hat dies nichts zu tun. Eher mit einem Versuch, den Kopf in letzter Minute aus der Schlinge zu ziehen.
Der Staat hat in Sachen Kapitalflucht bessere Informationsquellen. Das liegt insbesondere an dem seit der Finanzkrise 2008 stark gewachsenen Druck auf Steueroasen, mit den Finanzbehörden der Herkunftsländer der Steuerhinterzieher zusammenzuarbeiten. Auch hier ist die Bundesregierung gefragt, mit der Schweiz ein Steuerabkommen auszuhandeln, das Straftaten nicht auch noch belohnt. Nach den bisherigen Plänen wäre Uli Hoeneß mit einem Bruchteil der fälligen Steuernachzahlungen davon gekommen, es hätte keinen Prozess gegeben und vermutlich hätte die Öffentlichkeit nichts von seinem kriminellen Treiben erfahren. Darauf hat sie aber ein Anrecht - denn Hoeneß hat keinen Kavaliersdelikt begangen.
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