Hungerstreik für mehr Selbstbestimmung
Asylbewerber in Bayern protestieren gegen die Umstände ihrer Unterbringung
Zwei Mal wöchentlich liefern Lastwagen Essenpakete für die rund 150 Flüchtlinge, die im Asylbewerberheim im oberpfälzischen Amberg untergebracht sind. Es ist eine kleine Auswahl an Lebensmitteln, zwischen denen die Männer und Frauen sich entscheiden können. Oftmals sei das Essen kurz vorm Verfallsdatum oder sogar schon schlecht, klagen die Asylbewerber. Zudem werden zwischen 24 Uhr und 6 Uhr morgens Warmwasser und Strom abgestellt. Nun streiken fünf Männer - vier Iraner und ein Afghane - gegen ihre Lebensumstände. Auf dem Bahnhofsplatz in Amberg haben sie seit vergangenem Donnerstag ihr Zelt aufgeschlagen und verweigern jegliches Essen.
»Die jungen Männer sind mit großem Ehrgeiz hergekommen, hier etwas Neues aus ihrem Leben machen zu können«, erzählt Anne Kuchler vom Caritas Verband, die derzeit das Amberger Heim betreut. »Weil das Bundesamt aber derzeit mit der Flut von Asylanträgen überlastet ist, werden weniger akute Fälle, wie die der jungen Männer, auf die lange Bank geschoben - das frustriert.« Die Unterbringung in Amberg sei nicht optimal; trotzdem, so Kuchler, sei die Unterbringung nicht schlechter als anderswo in Bayern.
Die 15 protestierenden Asylbewerber im niederbayerischen Dingolfing fordern unter anderem eine Unterbringung in der Großstadt. »Derzeit leben viele der Asylbewerber in Sammelunterkünften in Gewerbegebieten im ländlichen Raum. Da sind sie sozial isoliert, haben keinen Zugang zu dem ohnehin schwer zugänglichen Arbeitsmarkt und können sich keine neue Lebensperspektiven aufbauen«, erklärt Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Zudem unterliegen Asylbewerber in Deutschland der Residenzpflicht. »Die drastische Situation in den Heimen ist hausgemacht. Sie soll vermitteln, dass sich die Asylbewerber nur in einer Übergangsphase befinden und nicht heimisch werden sollen.« Die entsprechende Klausel in der bayerischen Landesverfassung wurde im vergangenen Jahr bereits gestrichen. Auch die Versorgung mit Essenpaketen wird im Laufe des Jahres eingestellt. Stattdessen bekommen die Asylbewerber dann Geld, um sich selbst Nahrungsmittel zu kaufen. In anderen Bundesländern ist das bereits die Regel.
»Eine Unterbringung ist an jedem Ort in Bayern zumutbar. Das schließt eine Unterbringung in ländlichen Gebieten ein«, erklärt eine Sprecherin des bayerischen Sozialministeriums zu den Vorwürfen. »Die derzeit rund 33 000 Menschen ausschließlich in den Ballungsräumen unterzubringen, ist außerdem weder möglich noch entspricht das unseren Vorstellungen von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land.« Zudem unterliege der Freistaat den bundesgesetzlichen Regelungen, die Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge vorsieht.
»Es ist für uns von größtem Interesse, dass die Asylbewerber in Frieden wohnen können«, sagt Heinrich Trapp (SPD), Landrat in Dingolfing. Bisher sei die Rückmeldung, die von den untergebrachten Flüchtlingen kam, immer gut gewesen. »Auch der etablierte Helferkreis um das Heim kann den Streik nicht nachvollziehen«, sagt Trapp. Während der Streik in Amberg unter polizeilicher Aufsicht fortgeführt wird, wurde am Montagabend die Runde Protestierender vor dem Landratsamt in Dingolfing beendet. Aufgrund des kritischen Gesundheitszustandes der Teilnehmer, verordnete das Landratsamt die Auflösung. Die 15 Asylbewerber wurden ärztlich untersucht und sind nun zurück in ihrer Unterkunft.
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