Zeitmaschine der NSA

US-Geheimdienst kann auch rückwirkend spionieren

  • Lesedauer: 2 Min.
Die NSA kann offenbar auch in die Vergangenheit horchen. Das jedenfalls legen die neuesten Enthüllungen über den Dienst nahe.

Washington. Der US-Geheimdienst NSA verfügt einem Zeitungsbericht zufolge über die Fähigkeit, alle Telefonate eines ganzen Staates aufzuzeichnen und bis zu einem Monat lang zu speichern. Damit könne die NSA die Telefongespräche rückwirkend belauschen, schrieb die »Washington Post« am Dienstag (Ortszeit) auf ihrer Internetseite. Das Blatt stützte sich bei den Recherchen auf Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden.

Das gewaltige Überwachungsprogramm mit dem Namen »Mystic« funktioniere wie eine »Zeitmaschine«, heißt es in dem Bericht. Die NSA schneide »jedes einzelne« Telefonat in einem Land mit und bewahre die Unterhaltungen der jeweils letzten 30 Tage auf. Damit könne der Geheimdienst Gespräche auch dann abhören, wenn er eine verdächtige Person zum Zeitpunkt des Telefonats noch gar nicht im Visier gehabt habe. Möglich mache dies ein »Retro« genanntes Instrument, mit dem NSA-Agenten die gespeicherten Gesprächsinhalte durchsuchen und zurückspulen können. Die Datenmengen, die beim Anzapfen des kompletten Telefonnetzes eines Landes anfallen, sind schier unvorstellbar. Laut »Washington Post« lagern auf den Servern der NSA zeitgleich die Aufnahmen von »Milliarden« Telefongesprächen. Mitarbeiter der NSA würden außerdem jeden Monat »Millionen« Mitschnitte mit verdächtigem Inhalt an den Langzeitspeicher des Geheimdienstes schicken. »Mystic« begann den Angaben zufolge 2009 und wird seit 2011 im vollen Umfang gegen das erste Zielland eingesetzt. Die »Washington Post« erklärte, den Namen dieses Landes auf Bitten der US-Regierung nicht zu nennen. Auch die Information, in welchen Staaten das Programm ebenfalls zum Einsatz kommen könnte, hielt die Zeitung zurück. Im Geheimdiensthaushalt für 2013, den Snowden im vergangenen Jahr enthüllte, finden sich demnach Hinweise auf fünf weitere Staaten. Im vergangenen Oktober habe ein sechstes Land der »Mystic«-Liste hinzugefügt werden sollen.

Snowden hat derweil Internetfirmen aufgerufen, ihre Nutzer besser vor Spionage zu schützen. Betreiber von Webseiten sollten die Übertragung von Daten verschlüsseln, sagte er am Dienstag (Ortszeit) auf dem Technologietreffen TED in Vancouver. Alle Firmen sollten das verschlüsselte Surfen für alle Nutzer zum Standard machen. »Das wird die Privatsphäre und die Rechte von Menschen in aller Welt verbessern.« Unverschlüsselte Zugriffe auf Webseiten könnten von vielen Geheimdiensten mitgelesen werden, nicht nur vom US-Dienst NSA.

Auch andere Akteure könnten die Schwachstellen ausnutzen. Damit werde Onlinebanking oder Einkaufen im Internet weniger sicher. Snowden sprach per Videoübertragung aus Russland, wo er bis zum Sommer Asyl bekommen hat. Er war auf einem Bildschirm zugeschaltet, der auf einem Roboter montiert war.

Agenturen/nd

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