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Kein Recht auf Wasser

EU-Kommission erfüllt wichtigste Forderung von Europäischer Bürgerinitiative nicht

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehr als 1,6 Millionen Unterschriften sammelte die Bürgerinitiative »Wasser ist ein Menschenrecht!«. Die EU-Kommission bleibt in ihrer Stellungnahme vage.

»Die Bürger sind sehr ehrgeizig gewesen«, meinte am Mittwoch der Vizepräsident der EU-Kommission Maros Sefcovic. Denn was er vorzustellen hatte, war die Antwort der Kommission auf die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative. Rund 1,6 Millionen Menschen hatten für ein Recht auf Wasser unterschrieben. Auch die Kommission wollte deshalb ehrgeizig sein, betonte Sefcovic. Doch in entscheidenden Fragen schob sie die Verantwortung auf die Mitgliedsstaaten der EU ab.

Erklärtes Ziel der Bürgerinitiative »Wasser ist ein Menschenrecht!« ist es, die Liberalisierung der Wasserversorgung aufzuhalten und in Europa allen Menschen eine Versorgung mit Wasser und sanitären Mindeststandards zu garantieren. Für die Initiative ist dies längst noch keine Selbstverständlichkeit in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten. So haben ihren Angaben zufolge fast zwei Millionen Menschen keinen Zugang zu diesen Grundleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Nun überwandt die Initiative, die in Deutschland unter anderem von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und den Globalisierungskritikern von Attac unterstützt wird, die rechtlichen Hürden mit Leichtigkeit. Bis Anfang November 2013 sammelten sie rund 1,6 Millionen gültige Unterschriften aus 25 verschiedenen europäischen Ländern. Das sind über 600 000 Stimmen mehr als sie brauchten. Auch erreichten sie die notwendige Anzahl an Unterschriften nicht nur in sieben Mitgliedsstaaten, wie es vorgeschrieben ist, sondern in dreizehn. Mit über 1,2 Millionen Autogrammen lag man in Deutschland vorne.

Einen weitreichenden Erfolg hatte die Bürgerinitiative bereits im Juni letzten Jahres: Sie befürchtete, dass mit den neuen EU-Binnenmarktrichtlinien die Privatisierung der Wasserversorgung weiter vorangetrieben werden sollte. Auf öffentlichen Druck hin kündigte EU-Kommisar Michel Barnier schließlich an, die öffentliche Wasserversorgung erst mal vom Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinien auszunehmen.

Viel weiter ging die Kommission bei ihrer Mitteilung zur Bürgerinitiative am Mittwoch jedoch nicht. »Wir haben uns da mehr erwartet«, sagt deshalb Clivia Conrad, Wasserwirtschaftsexpertin bei ver.di gegenüber den »nd«. Zwar erkenne die Kommission den Zugang zu sauberem Wasser als ein Menschenrecht an. »Sie will es aber nicht zu europäischem Recht machen«, so Conrad. Das führt dazu, dass Sanktionsmöglichkeiten gegen EU-Staaten, die dieses Recht nicht gewährleisten, ausgeschlossen werden. Doch genau dies fordert die Bürgerinitiative, damit das Grundrecht effektiv ungesetzt wird.

Auch in anderen Punkten blieb die Kommission bei Unverbindlichkeiten. So forderte die Initiative, dass die Wasserdienstleistungen nicht zu einem Teil jeglicher Handels- oder Investorenschutzvereinbarung gemacht werden. Nun will die Kommission bei Verhandlungen mit Handelspartnern, wie aktuell bezüglich des Freihandelsabkommens TTIP mit den USA, lediglich sicherstellen, dass auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffene Entscheidungen »respektiert und angemessen gesichert« werden.

Die Ankündigung der Kommission, eine öffentliche Konsultation zum Thema starten zu wollen, nannte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold indes einen Versuch, »das Thema hinter die Europawahl zu verschleppen«.

Der Forderung, die Privatisierung von Wasserbetrieben in die Schranken zu weisen, erteilte die Kommission gänzlich eine Abfuhr. »In der EU liegt die Entscheidung über die optimale Verwaltung von Wasserdienstleitungen fest in den Händen der Behörden in den Mitgliedsstaaten«, wies die Kommission in Sachen Privatisierungen den Schwarzen Peter den EU-Mitgliedsstaaten zu. Sie selbst verpflichtete sich zur Neutralität.

Doch ganz neutral bleibt die Kommission bei der Privatisierung von Wasserbetrieben in der Realität dann doch nicht. So wird auf Betreiben der Troika zurzeit versucht, die Wasserbetriebe in Athen und Thessaloniki zu verkaufen. »Der Druck, der da ausgeübt wird, ist skandalös«, meint ver.di-Wasserexpertin Conrad. Schließlich ist neben der Europäischen Zentralbank und dem Internationalem Währungsfonds auch die EU-Kommission Mitglied der Troika.

Tropfen auf den heißen Stein
Dürftige Antwort der EU-Kommission auf europäische Wasserinitiative

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