Kein Feigenblatt für Volker Rühe
LINKE und Grüne boykottieren Kommission, in der sie ohnehin nichts ausrichten können
Die Bundeswehrsoldaten sind unzufrieden. Dies belegt der am Donnerstag im Parlament diskutierte »Wehrbericht 2013«. Demnach ist die Eingabenquote im letzen Jahr auf den höchsten Stand seit der Gründung der Bundeswehr gestiegen. Vor allem die Doppelbelastung durch Auslandseinsätze und Streitkräftereform sorgt für »große Unzufriedenheit« bei der Truppe, wie der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) betonte.
Die Unzufriedenheit dürfte weiter zunehmen, denn ein Ende der Auslandseinsätze ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Nur Stunden nach der Diskussion über den Wehrbericht befassten sich die Abgeordneten mit dem kommenden Einsatz der Bundeswehr im bürgerkriegszerrütteten Somalia. Im Rahmen der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM sollen deutsche Soldaten die somalischen Streitkräfte schulen. Im Antrag der Bundesregierung heißt es zwar, dass die Soldaten weder die somalischen Streitkräfte in Einsätze begleiten noch die bereits vor Ort kämpfende »Friedensmission der Afrikanischen Union« unterstützen sollen, doch letztendlich ist der Konflikt ein asymmetrischer. Die islamischen Milizen bzw. Stammesverbände - so genau kann man das nicht immer unterscheiden - können überall und jederzeit zuschlagen.
Gerade die Opposition kann in so einer Debatte die Gefahren einer Auslandsmission deutlich machen. Wohl auch deshalb befasste sich der Bundestag am Donnerstag mit der Einsetzung einer Kommission, die diesen Parlamentsvorbehalt »prüfen« soll. Unter dem Vorsitz von Ex-Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) soll das Gremium schauen, ob es noch zeitgemäß ist, dass der Bundestag über die Entsendung von Soldaten ins Ausland entscheidet. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht mehrmals den »besonderen Charakter der Bundeswehr« als Parlamentsarmee deutlich gemacht. Demnach bedarf jeder Einsatz bewaffneter Streitkräfte der Zustimmung durch den Bundestag.
Die Opposition vermutet, dass die Rühe-Kommission den Vorbehalt aufweichen soll. Ursprünglich wollte Schwarz-Rot das 16-köpfige Gremium bereits am letzten Freitag einsetzen. Doch aufgrund der Proteste der rot-grünen Opposition verwies man die Sache »in die Ausschüsse«. Allerdings war die so zur Schau gestellte Gesprächsbereitschaft von Union und SPD wohl nur Fassade.
»Letztendlich wurden alle unsere Forderungen abgelehnt«, so Alexander S. Neu, Obmann der LINKEN im Verteidigungsausschuss gegenüber »nd«. Die Linkspartei wollte, so Neu, dass auch der Einsatz von Drohnen unter den Vorbehalt falle. »Das Gesetz kennt bislang nur Soldaten, keine Waffensysteme«. Da die Drohnen auch von Deutschland aus gelenkt werden könnten, müsste der Bundestag nicht eingeschaltet werden.
Zudem wollte die Linksfraktion endlich Klarheit über die Aktionen der KSK-Spezialkräfte. »Über den Einsatz dieser Elitesoldaten wird nicht einmal der Verteidigungsausschuss informiert«, kritisiert Neu. Die Missionen mit der Lizenz zum Töten stehen nicht unter Vorbehalt. Außerdem wollte man über Merkels Konzept der Ausbildung von Truppen in instabilen Regionen und den »deutschen Waffenexport als strategisches Motiv« diskutieren. Union und SPD sahen hier keinen Redebedarf. »Die Regierung benötigte uns nur als Feigenblatt. Union und SPD hätten mit ihrer Mehrheit ohnehin alles durchgedrückt«, resümiert Alexander S. Neu. Deshalb habe man in einem »kooperativen Verfahren« mit den Grünen beschlossen, den Ausschuss zu boykottieren.
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