Sieben Tage, sieben Nächte

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Die linden Lüfte, die zunächst nur vorübergehend erwacht sind, machen sich selbst im Redaktionsalltag bemerkbar. Zumindest unter jenen Kollegen, die den Temperaturanstieg in dieser Woche ohne Blessuren überstanden haben. »Es ist Frühling«, sagt der ansonsten etwas verschlossene Kollege mit dem nettesten Lächeln zur Begrüßung auf dem Gang - ohne schon wieder über Mindestlohn, Mietpreis- oder Schuldenbremse bzw. die allgegenwärtigen drei großen K: Krim, Kreml, Kiew diskutieren zu wollen.

Weil eben Frühling ist, grinsen selbst die Nutzer des vom Verlag einst großzügig zur Verfügung gestellten Raucherzimmers und räumen die ihnen von den Nicht-Abhängigen streitig gemachte Insel von ganzen acht Quadratmetern, um auf einer Bank im Innenhof fröhlich wie kollektiv ihrem Laster zu frönen und Luftverpestung mit Luftgenuss zu verbinden

Der Frühling ist die Zeit des Aufatmens, der Großzügigkeit und Gelassenheit - auch gegenüber immer noch verbissenen Zeitgenossen, die die neuen Zeichen noch nicht verstanden haben. Ein paar Grad mehr und die lang durchlittene trübe und kalte Zeit ist vergessen. Nicht nur in der Großen Koalition, in der schon während der hunderttägigen Einlaufkurve kurzzeitig die Eiszeit ausgebrochen war - und nun mit den ersten Sonnenstrahlen der Wettlauf um den frühesten Gesetzesentwurf ausgebrochen ist.

Auch im ganz normalen Zeitungsleben führt der Frühling zu erstaunlichen Veränderungen. Gerade jetzt, da von draußen nur noch Gutes zu erwarten ist, reißt der Kollege vom Schreibtisch gegenüber nicht mehr jeden Morgen zuerst das Fenster auf, um Spatzen und Meisen mit ein paar Körnern und frischem Wasser das Dasein zu erleichtern - und lässt sich auch durch manch vorwurfsvollen Blick seiner kleinen Freunde durch die Scheibe nicht erweichen.

Selbst der Redaktions-Kicker, an dem zwischen Sieg und Niederlage der schwarz-gelben oder blau-weißen Holzfußballer die Journalisten den Frust über die Kürze ihrer täglichen Spielzeit, nervende Reaktionen von den Rängen, wenig teamfreudige Mannschaftskollegen und das vermeintliche Grätschen und Dribbeln aus der Chefetage oft lautstark abbauen, ist derzeit oft verwaist. Und nicht nur, weil der Chefredakteur die Losung »Tickern statt Kickern« ausgab.

Sogar die Dauerbaustelle im Foyer, mit der ganz offensichtlich dem BER Konkurrenz gemacht werden soll, regt dieser Tage niemanden auf. Es ist halt Frühling. oer

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