Zweiter Job für drei Millionen

Institut: Immer mehr Menschen üben eine Nebentätigkeit aus

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
So viele Menschen wie noch nie arbeiten neben dem Hauptberuf zusätzlich - die meisten davon auf Minijobbasis. Das birgt viele Probleme, kritisieren Gewerkschaften und Opposition.

Neben dem Hauptberuf noch auf Minijobbasis kellnern, putzen oder kassieren? Für 2,6 Millionen Menschen war das im vergangenen Jahr die Realität. Insgesamt hatten 2013 sogar 3,02 Millionen Bundesbürger einen Nebenjob - so viele wie nie zuvor. Das geht aus Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Gegenüber 1990 hat sich die Zahl der Mehrfachbeschäftigten damit mehr als verdreifacht. Für 2014 rechnet das IAB mit einer weiteren leichten Zunahme der Anzahl der Nebenjobs. Zu diesen werden alle Nebenbeschäftigungen gerechnet - Beraterverträge für Professoren ebenso wie Minijobs, die Geringverdiener annehmen, um ihr Einkommen aufzubessern.

Frauen sind demnach häufiger als Männer auf ein zweites Einkommen angewiesen: Während sieben Prozent der männlichen Arbeitnehmer einem Minijob nachgingen, seien es elf Prozent der Frauen, so das Institut. IAB-Forscher Enzo Weber begründete den Boom gegenüber der »Berliner Zeitung« mit Vergünstigungen für Zweitjobs, die im Zuge der Hartz-Reformen beschlossen worden seien. Seit dem 1. April 2003 ist es möglich, einen Minijob mit einem Gehalt von höchstens 450 Euro im Monat neben einem sozialversicherungspflichtigen Hauptberuf auszuüben - Sozialabgaben für den Nebenjob fallen dann nicht an.

Das sei eine »Subvention eines zweiten Jobs«, die »schwer nachvollziehbar« sei, kritisierte Weber. Die Regelung entlaste zwar Geringverdiener mit einem Zweitjob, aber auch Gutverdiener mit einer Nebentätigkeit profitierten davon. Wie viele Menschen eine Nebentätigkeit aus finanzieller Not annehmen müssten, sei nicht bekannt, so Weber. Das IAB untersuche das aber derzeit.

Die arbeitsmarktpolitischen Sprecherinnen der Oppositionsfraktionen im Bundestag bezeichneten die Entwicklung als alarmierend: »Niedriglöhne müssen bekämpft, die Subventionierung von Arbeitgebern bei den Sozialabgaben von Zweitjobs beendet werden«, sagte Sabine Zimmermann (LINKE). Um ein weiteres Ausufern des Minijobsektors zu verhindern, sei ein Mindestlohn von zehn Euro notwendig. Zudem müssten geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt werden. Die derzeitige Regelung führe dazu, dass Arbeitgeber Abgaben einsparten, während die Sozialkassen Beiträge und die Beschäftigten Sozialversicherungsansprüche verlören, so Zimmermann.

Auch Brigitte Pothmer (Grüne) forderte die schnelle Einführung eines Mindestlohnes in der von der schwarz-roten Koalition geplanten Höhe von 8,50 Euro. Ausnahmen für Minijobs, wie sie im Regierungslager diskutiert würden, dürfe es nicht geben. Pothmer hält eine grundsätzliche Reform der Minijobs für erforderlich. Vor allem Frauen hätten durch die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge Probleme, ihre Existenz zu sichern.

Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit waren im Dezember 2013 insgesamt 7,58 Millionen Menschen in Deutschland in einem geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnis tätig. Im Gastgewerbe ist laut Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) inzwischen jede zweite Stelle ein Minijob - zusammen rund 870 000. Auch im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Einzelhandel arbeiten Hunderttausende Menschen auf Minijobbasis. Sie würden »geködert mit der Aussicht, keine Steuern und Abgaben zu zahlen, und verharren in der Niedriglohnfalle ohne Aussicht auf reguläre Beschäftigung«, kritisierte die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger.

Als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, wie es Arbeitgeber gern darstellen, funktionieren Minijobs damit nicht. Notwendig sei eine Sozialversicherungspflicht von der ersten Stunde an, so Rosenberger. Nur so könnten versteckte Subventionen, die zu milliardenschweren Ausfällen bei Steuern und Sozialabgaben führten, beseitigt werden.

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