Reihenweise prächtige Auftritte
Luka Modric ist Reals Schlüsselspieler und soll Madrids Spiel auch gegen Dortmund lenken
Virtuos veranlagte Künstler beschäftigt Real Madrid bekanntlich einige, vielseitige Kicker wie Luka Modric nur wenige. Nie war der 2012 noch von José Mourinho verpflichtete Kroate in dem Starensemble so wertvoll wie vor den Viertelfinalduellen gegen Borussia Dortmund. »Hinter Ronaldo der beste Spieler bei Real«, heißt es im Umfeld des hyperventilierenden Hauptstadtklubs. Weil der schmächtige Mittelfeldspieler mit den wahlweise giftgrünen und knallorangen Schuhen den Kämpfer und Techniker, Balleroberer und Ballverteiler, Zerstörer und Gestalter in Personalunion gibt.
In dem Blondschopf sehen viele eine perfekte Kombination aus dem abgewanderten Mesut Özil und dem verletzten Sami Khedira, weil er deren wichtigste Eigenschaften vereint. Er bringt - bei erst sechs (Weitschuss)Treffern in zwei Spielzeiten zwar nicht die Torgefahr Özils und - bei 67 Kilo Körpergewicht - gewiss nicht die Wucht Khediras ein, aber in der Passsicherheit steht er Özil und in der Präsenz Khedira nicht nach. Gestatten, Ödira. »Ich hatte Probleme und brauchte Zeit, mich einzuleben«, hat der 1,74-Meter-Mann kürzlich zugegeben. Mittlerweile reiht er eine prächtige Vorstellung an die andere.
In dem von Trainer Carlo Ancelotti präferierten 4-3-3-System hat es ja einige Kunstgriffe gebraucht, um mit Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Angel di Maria drei Außenspieler von Weltklasse unterzubringen. Die Superstars Ronaldo und Bale stürmen über die Flügel vor, di Maria hat sich hingegen in das Dreiermittelfeld versetzen lassen, das der erfahrene Xabi Alonso ergänzt. Die Schlüsselrolle allerdings besetzt der 28-jährige Modric, was die spanische Presse zu würdigen weiß. »Viva Croacia« hieß es zuletzt in der Zeitung »As«, während »Marca« über Modric schrieb: »Wenn der Ball nicht über seine Stiefel rollt, leidet Real.«
Die vom »Madridista« so geliebte kreative Komponente hat er sich wie viele kroatische Kicker seiner Generation mitten in den Wirren des Bürgerkriegs angeeignet: Als sein Großvater getötet wurde, flüchtete die Familie nach Zadar, wo sie in einem zum Flüchtlingsheim umfunktionierten Hotel unterkam. Im Treppenhaus oder im Speisesaal jagte der kleine Luka in jeder freien Minute dem Fußball hinterher. »Er machte mehr Fenster kaputt als alle Bomben«, erinnerte sich ein Hotelmitarbeiter einmal.
Bereits mit 17 Jahren wurde er in Bosnien - wohin ihn Dinamo Zagreb anfangs ausgeliehen hatte - zum »Spieler des Jahres« gekürt. Es dauerte nicht lange, bis er beim kroatischen Spitzenklub europaweite Begehrlichkeiten auslöste. Einen empfindlichen Karriere-Rückschlag gab es 2007, als Modric mit Zagreb in der Champions-League-Qualifikation an Werder Bremen scheiterte, weil sich im Duell der Spielmacher der Brasilianer Diego als der deutlich Effektivere gezeigt hatte.
Und auch bei der Europameisterschaft 2008 - sein Wechsel in die englische Premier League zu Tottenham Hotspurs für stolze 26 Millionen Euro stand da bereits fest - trat der Jüngling mit Tränen in den Augen vorzeitig von der Bühne: Die von ihm dirigierten Kroaten besiegten zwar Deutschland, scheiterten aber auch deshalb in einem wahnwitzigen Viertelfinale an der Türkei, weil Modric zwar eine Torvorlage gab, dann aber vor Tausenden Landsleuten in Wien beim Elfmeterschießen das Tor nicht traf. Interessant, was der damalige ZDF-Experte Jürgen Klopp über diesen Spieler sagte: »Er ist Denker und Lenker, ein intelligenter Spieler mit einer enormen Technik.«
An dieser Einschätzung dürfte sich vor dem heutigen Hinspiel in Madrid beim Trainer von Borussia Dortmund kaum etwas geändert haben. Die Ursachenforschung, warum das Real-Ensemble im Vergleich zu den Halbfinals gegen den BVB im Vorjahr stabiler wirkt und attraktiver agiert, führt zum veränderten Spielstil. Wo Mourinho noch auf die langen Flugbälle Alonsos setzte, was speziell bei der 1:4-Abreibung im Vorjahr in Dortmund in einem Desaster endete, bevorzugt Ancelotti eher gepflegte Kombinationen, die sein Quarterback Modric einfädelt. Und wo die Nummer 19 der Madrilenen damals nur den Mitläufer gab, soll er nun den Unterschied ausmachen.
Für die bevorstehende WM in Brasilien, in der Kroatien gleich mal das Eröffnungsspiel gegen den Gastgeber bestreitet, stellt er auch den Hoffnungsträger dar. »Er ist unser wichtigster Spieler«, sagt sein Landsmann Ivica Olic vom VfL Wolfsburg. Selbst spricht der Belobigte nur selten. Durch die Interviewzonen dieser Fußballwelt bewegt er sich vorzugsweise mit Scheuklappen. »Ich rede nicht so gern, artikuliere mich lieber mit dem Ball«, verriet der scheue Zeitgenosse jüngst dem britischen Sender »BBC«. Aber geschwätzige Kollegen hat sein Klub ja noch zur Genüge zu bieten.
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