Opposition uneins über Minderheitenrechte
Grüne einigen sich mit Union und SPD, die Linksfraktion will sich enthalten
Nach langen Debatten haben sich die Koalitionspartner Union und SPD mit den Grünen auf eine Neuregelung der Oppositionsrechte geeinigt. Bei einer Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses am Dienstagabend stimmten die Grünen dem Vorschlag der Großen Koalition zu, die Minderheitsrechte in der Geschäftsordnung des Bundestags zu erweitern.
Demnach soll für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, Ausschussanhörungen oder Enquetekommissionen künftig die Zustimmung von 120 Abgeordneten ausreichen, damit Linkspartei und Grüne ihre Rechte auch dann wahrnehmen können, wenn einige ihrer Abgeordneten erkrankt sind oder abweichend abstimmen. Allerdings müssten sich LINKE und Grüne bei ihren jeweiligen Vorhaben weitgehend einig sein, um die Bundesregierung effektiv kontrollieren zu können. Die Oppositionsfraktionen verfügen zusammen über 127 Sitze. Nach den bisherigen Regelungen konnten Linkspartei und Grüne viele ihrer Rechte, wie etwa die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, nicht wahrnehmen, weil für diese die Unterstützung von 25 Prozent der Abgeordneten notwendig ist. Die Oppositionsfraktionen stellen zusammen aber nur 20 Prozent der Parlamentarier.
Zum Vorhaben der Koalition sagte die Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, dass nun ein »umfassender Katalog von Minderheitenrechten für diese Legislaturperiode und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments« gesichert werde. Von den jetzt durch die Geschäftsordnung zugesicherten Minderheitenrechten könne nicht mehr mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der Großen Koalition abgewichen werden.
Die Linksfraktion reagierte hingegen unzufrieden. Es habe Zugeständnisse von Schwarz-Rot gegeben, nachdem die Regierung der Opposition zuvor nur einen Beschluss des Plenums über die Minderheitenrechte zugestehen wollte, die sie jederzeit hätte wieder aufheben können. Trotzdem hält die LINKE die Initiative der Großen Koalition für unzureichend. Sie will sich bei der heutigen Abstimmung im Bundestag zum Antrag von Union und SPD enthalten. »Die Geschäftsordnung des Bundestags kann keine Gesetze außer Kraft setzen - insbesondere dann nicht, wenn Dritte betroffen sind«, erklärte die Parlamentsgeschäftsführerin der Linksfraktion, Petra Sitte. »Besonders im Fall der Untersuchungsausschüsse und des Verteidigungsausschusses, bei denen Dritte betroffen sein können, brauchen wir Rechtssicherheit.« Die LINKE bleibe bei den gemeinsam mit den Grünen eingebrachten Initiativen, so Sitte. Sie wundere sich darüber, dass »die Grünen nun offenbar mit der Koalition und der Opposition gleichermaßen stimmen wollen«. Die beiden Oppositionsfraktionen hatten zur Sicherung der Minderheitenrechte einen Gesetzentwurf und eine Änderung der Geschäftsordnung vorgelegt. Auch diese stehen bei der heutigen Sitzung zur Abstimmung.
Zudem werden die Parlamentarier über einen Grundgesetzänderungsentwurf der LINKEN abstimmen, wonach die Opposition trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche das Recht haben soll, Gesetze durch eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Politiker aus den Koalitionsfraktionen sehen dies nicht als ein Minderheitenrecht im Parlament an. Linksfraktionschef Gregor Gysi hatte hingegen von einem »Königsrecht der Opposition« gesprochen. In der Linksfraktion gibt es Erwägungen, für dieses Recht vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu ziehen. Hierzu wird in der Fraktion bald eine Entscheidung erwartet.
Bei den Änderungen der Redezeiten kann die Koalition mit der Zustimmung der LINKEN rechnen. Die Parlamentarier wollen sich hierüber nun im Ältestenrat des Bundestags verständigen. Union und SPD wollen Linkspartei und Grünen etwas mehr Redezeit gewähren. Bei dem sogenannten Debattenformat »XXL« würden sie demnach jeweils fünf Minuten mehr reden dürfen. Das bedeutet, dass die LINKE bei einer 224-minütigen Debatte 33 Minuten Zeit hätte, um auf die Redner der Regierungsfraktionen zu antworten. Die Grünen als kleinere Oppositionsfraktion dürften dann 31 Minuten lang reden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.