Vati Orbán wird gewinnen

Ausbau der Machtpositionen des Regierungschefs geht mit Demokratieabbau einher

  • Gábor Kerényi, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der Wahl am Sonntag geht eine oft stürmische Legislaturperiode zu Ende, nicht aber die Herrschaft Viktor Orbáns und seiner nationalkonservativen Partei FIDESZ.

Im ungarischen Wahlkampf waren - trotz aller Unterschiede - Parallelen zwischen Viktor Orbán und Angela Merkel unverkennbar. Am auffälligsten: Beide Politiker verhielten sich vor ihren Wahlen mehr als zurückhaltend. Das lag gewiss auch daran, dass der deutschen Kanzlerin wie dem ungarischen Regierungschef ein Wahldebakel so gut wie unvorstellbar zu sein schien. Auch Orbán präsentierte daher so gut wie kein Wahlprogramm. Er beschränkte sich darauf, gebetsmühlartig zu wiederholen, wie gut es dem Land unter seiner Regierung gehe.

Eine weitere Parallele findet sich in der Langzeitgeschichte der Parteienlandschaften beider Länder. Parteien, die bisher in Ungarn mit Orbán und seinem FIDESZ (Bürgerbund) koalierten, schrumpften in der Folge auf eine Größe unter dem politischen Existenzminimum oder verschwanden gänzlich. So geschah es während der ersten Regierung Orbán (1998-2002) der Partei der Kleinlandwirte und dem Ungarischen Demokratischen Forum (MDF), das als Regierungspartei nach der Wende auf eine eindrucksvolle Vergangenheit zurückblicken konnte. Wenig anders geht es der kleinen erzkonservativen Christdemokratischen Volkspartei (KNDP), die derzeit »mitregiert«. Sie war zwar schon vor dem Bündnis mit FIDESZ praktisch bedeutungslos, hat aber mittlerweile ihr Profil völlig verloren. Im Falle Ungarns haben wir es in diesem Zusammenhang mit einer typischen Eigenschaft des reinen Machtpolitikers zu tun, der - nicht immer bewusst und oft sogar gegen eigene Interessen - die Auslöschung von anderen vielleicht nicht anstrebt, sie aber trotzdem laufend betreibt.

Prognosen
  • Statt bisher 386 wird das neue Parlament nur noch 199 Abgeordnete haben. 2010 errang die Koalition FIDESZ-KDNP mit 53 Prozent der Stimmen eine Zweidrittelmehrheit der Sitze. Diesmal könnte dafür ein Stimmenanteil von 45 Prozent genügen.
  • Zur links-liberalen Allianz »Regierungswechsel« gehören Attila Mesterhazys Sozialistische Partei (MSZP), das Bündnis »Gemeinsam 2014« unter Gordon Bajnai, die »Demokratische Koalition« von Expremier Ferenc Gyurcsány und der grüne »Dialog für Ungarn«. In Umfragen lag sie bei 23 Prozent der Stimmen.
  • Die rechtsradikale Partei Jobbik käme danach auf 21 Prozent. Die Öko-Partei LMP (Politik kann anders sein) muss um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. nd/dpa

 

Eine andere gemeinsame Eigenschaft Orbáns und Merkels ist die eigenwillige Personalpolitik. Beide scheinen oft eine wenig glückliche Hand zu haben, doch schadet ihnen das nicht im Geringsten. Prominente Beispiele sind die mit starkem Willen durchgesetzten Staatspräsidenten Christian Wulff und Pál Schmitt, die beide zurücktreten mussten.

Eine letzte Parallele besteht in den Politikstrategien. Der knallharte Ausbau der eigenen Machtpositionen geht bei Orbán ebenso wie bei Merkel mit einem Abbau der Demokratie Hand in Hand - auch wenn die in Ungarn inzwischen erreichten Zustände mit jenen in Deutschland natürlich nicht vergleichbar sind.

Jedenfalls sind die bevorstehenden ungarischen Wahlen, ähnlich wie jüngst in Deutschland, schon so gut wie gelaufen - in mehrfacher Hinsicht. Erstens haben Orbán und seine Denkfabrik die Wahlgesetzgebung etwa im Jahresrhythmus neu gestaltet - je nachdem, was laut den jeweils neuesten Umfragen und Prognosen für FIDESZ am vorteilhaftesten erschien. Wahlkreisgrenzen wurden neu gezogen, auf dass überall die rechtsgesinnten Wähler die Mehrheit ausmachen. Auslandsungarn wurde die ungarische Staatsbürgerschaft verliehen, weil sie aus historischen Gründen konservativ und nationalistisch wählen. Das Antreten zur Wahl wurde erheblich erleichtert, damit die mit Orbán unzufriedene Wählerschaft zersplittert wird. Und weil die mit Ausnahme der rechtsradikalen Partei Jobbik gelähmte und fantasielose Opposition für Orbán keine ernsthafte Gefahr bedeutet, entschied er sich für eine überproportionale Mandatsverteilung zugunsten des Gewinners, die ihm auch mit weniger Stimmen wieder eine Zweidrittelmehrheit garantieren könnte.

In den unter FIDESZ-Führung gestellten Medien sind die Regierenden überwältigend präsent. Laut dem unabhängigen Medienanalyseinstitut »Mérték« beherrschten sie einen Monat vor den Wahlen die Sendezeit in Fernsehen und Hörfunk mit 56 Prozent. Auf dem zweiten Platz stand das sozialliberale Bündnis »Regierungswechsel« mit 18 Prozent, andere Parteien hatten noch weniger Chancen. Und weil in Ungarn in den vergangenen vier Jahren - wie der Politikwissenschaftler Zoltán Lakner formulierte - nicht nur das Regieren, sondern auch die Korruption zentralisiert wurde, beherrschen Orbán-nahe Personen so gut wie den gesamten Werbemarkt, was zur Folge hat, dass fast überall nur Reklame für die Regierungsparteien zu sehen ist.

Ein anderer Wahlausgang als ein neuer überwältigender Sieg Viktor Orbáns wäre daher nur im Reich der Wunder zu erhoffen. Ungarn liegt eben, nicht nur geografisch, zwischen Deutschland und der Türkei.

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