Die Rechnung der Unternehmer
Grit Gernhardt über Arbeitszeitverkürzung für Eltern
Wenn sich die Unternehmer originären Gewerkschaftsforderungen anschließen, sollte man grundsätzlich misstrauisch sein. Das gilt auch für die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche für Eltern, die am Wochenende aus den Reihen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) laut wurde. Denn selbstverständlich geht es den Arbeitgebern nicht um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch wenn diese erwiesenermaßen zu einem besseren Firmenklima führen würde.
Nein, die Arbeitgeberrechnung lautet ziemlich simpel, dass 35 plus 35 mehr Arbeitsstunden ergeben als 40 plus 20 oder 25. Denn so wie im letzteren Modell ist die Arbeitszeit immer noch in vielen Familien verteilt, wobei die Frauen in den allermeisten Fällen den Teilzeitpart übernehmen.
Die Verwunderung des DIHK darüber ist aber bestenfalls als zynisch zu bezeichnen, solange die Unternehmen nicht in der Lage sind, ihren Angestellten ein familienfreundliches Umfeld zu bieten: Fehlen nämlich interne Betreuungsmöglichkeiten oder Regelungen für Auszeiten, bleibt vielen Eltern keine Wahl, als auf eine Vollzeitstelle zu verzichten - mit allen finanziellen und karrieretechnischen Einbußen, die solch ein Schritt mit sich bringt.
Solange die Forderung nach der 35-Stunden-Woche also nicht mit Vorschlägen für eine familienfreundlichere Unternehmenskultur einhergeht, ist wohl kaum zu erwarten, dass sich ihr die Gewerkschaften anschließen.
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