»Es wurde künstlich Zeitdruck erzeugt«
Endlagersuche als Alibi-Veranstaltung? Hubertus Zdebel von der Linkspartei über seine Teilnahme an der Bund-Länder-Kommission und die Kritik der Umweltverbände
nd: Herr Zdebel, am heutigen Donnerstag soll im Bundestag die Einsetzung der Kommission beschlossen werden, die über das weitere Vorgehen in der Endlagersuche diskutiert. Union, SPD und Grüne wollen die Umweltverbände auffordern, sich daran zu beteiligen. Warum ist die LINKE gegen diesen Antrag?
Zdebel: Die Fraktionen von Union, SPD und Grünen machen viele warme Worte, aber keine konkreten Zugeständnisse an die Umweltverbände und Anti-AKW-Initiativen. Zudem sind wir der Meinung, dass die Umweltverbände mehr Zeit brauchen, um sich in dieses Verfahren gleichberechtigt einklinken zu können.
Es ist doch seit Monaten klar, dass es die Kommission geben wird.
Das erste Gespräch zwischen den zuständigen Politikern im Bundestag und den Vertretern der Verbände hat erst in diesem Jahr stattgefunden. Die Umweltschützer haben sich dann erst mal entschieden, dass sie unter den jetzigen Konditionen nicht mitmachen. Sie fordern zum Beispiel, dass Gorleben als möglicher Endlagerstandort im Gesetz ausgeschlossen wird. Zudem wollen sie ein verbindliches Konsensprinzip für die Beschlüsse der Kommission. Die Fraktionen der Union, SPD und Grünen haben aber von vornherein ausgeschlossen, das Gesetz nochmals zu ändern. Trotzdem haben die Umweltverbände weiter nach Wegen gesucht, um zu einer Verständigung zu kommen.
Bislang gibt es keine Einigung, trotzdem wird jetzt abgestimmt und die zwei Plätze für die Umweltverbände werden wohl erst mal frei bleiben. Warum dieser Zeitdruck?
Der ist künstlich erzeugt worden. Für den Zeitverlust sind Union und SPD verantwortlich, die den Bundestag während der Regierungsbildung bis zum 17. Dezember faktisch in den Ruhestand verabschiedet haben.
Die Kommission soll zwei Jahre arbeiten. Wenn man den Beginn weiter verschiebt, dann wird die Kommission zum nächsten Wahlkampf fertig. Würde es dann aber nicht schwierig, die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen durchzukriegen?
Wenn das Ziel ist, den Atommüll eine Million Jahre sicher zu verwahren, dann geht Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Dann muss man sich doch die Zeit nehmen, eine breite öffentliche Debatte zu führen und die Umweltverbände auf Augenhöhe einzubinden.
Woran scheitert es denn konkret?
Zum Beispiel am Konsensprinzip. Im Gesetz ist das nicht vorgeschrieben, die Kommission kann mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit entscheiden. Jetzt schreiben die drei Fraktionen im Bundestag in ihrem Antrag, die Kommission sollte ihre Entscheidungen möglichst im Konsens treffen. Wenn man aber dieser Meinung ist, dann muss man das Gesetz jetzt ändern. Die Appelle sind unverbindlich.
Union, SPD, und Grüne sind derzeit offenbar nicht zu Gesetzesänderungen bereit. Vielleicht ist dies in zwei Jahren genauso und die Änderungsvorschläge der Kommission werden gar nicht ernsthaft geprüft. Kann man die Arbeit des Gremiums dann überhaupt ernst nehmen?
Die Arbeit der Kommission und die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse stehen und fallen mit der Beteiligung der Umweltverbände. Wenn die zwei Sitze leer bleiben, werden die Vorschläge der Kommission ohnehin nicht die nötige Akzeptanz haben.
Wenn sich Umweltverbände aus guten Gründen nicht beteiligen, warum gehen Sie dann für die Linke in die Kommission?
Ich wurde von einigen Verbänden gebeten, in der Kommission kritische Fragen zu stellen. Ich sage aber auch: Ich weiß nicht, ob die Arbeit in der Kommission auf Dauer überhaupt Sinn machen wird. Wenn sich herausstellt - wie viele schon befürchten -, dass diese Kommission eine Alibi-Kommission wird, dann werde ich sicherlich nicht dazu beitragen.
Neben der CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser soll nun der SPD-Politiker Michael Müller Ko-Vorsitzender werden. Er ist auch Vorsitzender der Naturfreunde Deutschlands und bei vielen Umweltverbänden beliebt. Ist das eine gute Wahl?
Geleitet werden soll die Kommission also vom ehemaligen Umweltstaatssekretär unter Sigmar Gabriel in der Großen Koalition und von der ehemaligen Umweltstaatssekretärin unter Peter Altmaier in der schwarz-gelben Koalition. Das ist meines Erachtens ein ganz schlechtes Zeichen. Sowohl Michael Müller als auch Ursula Heinen-Esser stehen für die alte Atompolitik und die bisherige gescheiterte Endlagersuche - nicht für einen Neuanfang.
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