Die Linksfront ist gefordert
Im Frankreich zwischen den Wahlen wird das Verhalten der Sozialistischen Partei zum größten Prüfstein
Wie hältst Du es mit der Sozialdemokratie? Während die französische Sozialistische Partei (PS) an der Regierung eine immer rechtere und wirtschaftsfreundlichere Politik einschlägt - ihr neuer Premierminister Manuel Valls ist ein sicherer Garant dafür -, spaltet diese Frage die Kräfte auf der Linken. Zwischen Frontalopposition, punktueller Kritik, »konstruktiver Opposition« und »kritischer Unterstützung in der Hoffnung auf progressive Beeinflussung ihrer Politik« oszillieren mitunter diese Positionen.
Am Samstag wird sich das linke Lager aber nicht gespalten zeigen. Von der Kommunistischen Partei (PCF) über die Linkspartei (PG) bis zur Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) werden sie an einem Strang ziehen, wenn voraussichtlich Zehntausende zum ersten Großprotest von links gegen den aktuellen Regierungskurs zusammenkommen werden. Zuvor hatten Rechtsextreme und militante Faschisten anderthalb Jahre lang Frankreichs Straßen quasi dauerbesetzt, zuletzt am 26. Januar mit dem von Antisemiten und reaktionärem Mittelständlerprotest dominierten »Tag des Zorns«.
Spaltungen gab es in jüngerer Zeit vor allem bei der Front de gauche - der »Linksfront« -, dem seit 2009 bestehenden Zusammenschluss der PG Jean-Luc Mélenchons mit der PCF unter Pierre Laurent. Dem Linksbündnis haben sich mittlerweile ein knappes Dutzend weiterer Komponenten angegliedert, darunter mehrere Abspaltungen des NPA und die »reformkommunistische« FASE.
Zu erheblichen Spannungen führte seit Anfang des Jahres die Frage des Umgangs mit der französischen Sozialdemokratie, der Sozialistischen Partei (PS). Denn die PCF, die von allen Beteiligten des Linksbündnisses bei den Kommunalwahlen vom 23. und 30. März mit Abstand am meisten zu verlieren hatte, trat vielerorts bereits im ersten Wahlgang gemeinsam mit der PS an. Darunter waren einige der einwohnerstärksten Städte, wie Paris. Die Linkspartei, die sich viel stärker durch Abgrenzung von der Sozialdemokratie profilieren möchte, war darüber erzürnt. Und stellte ihrerseits getrennte Listen auf. In der Hauptstadt Paris stritten KP und PG sich fürchterlich um die Verwendung des bis dahin gemeinsam benutzten Symbols der »Linksfront«.
Ihrerseits war die radikale Linke, in Gestalt der nicht auf Regierungsbeteiligung und eher auf Klassenkampf orientierenden Kräfte wie NPA und »Arbeiterkampf« (LO) - erstere ist vom undogmatischen, zweite eher vom dogmatischen Trotzkismus geprägt - bei den Kommunalwahlen weitgehend abwesend. Frankreichweit stellte die NPA unter 100, die verfeindete Schwester LO rund 200 Kommunallisten auf. Trotz einzelner herausragender Ergebnisse, in Clermont-Ferrand und in Sotteville bei Rouen landeten Listen mit NPA-Beteiligung bei rund 15 Prozent, blieben sie im Allgemeinen »unter ferner liefen«.
Vor dem Hintergrund der Konflikte bei der »Linksfront« wurden die Verhandlungen um gemeinsame Listen der am Bündnis beteiligten Parteien zur Europawahl in den ersten Jahreswochen vorläufig ausgesetzt. Am 3. April wurden sie wieder aufgenommen, doch KP und Linkspartei trennten sich vorläufig ohne Einigung: Beide hatten keinen Kompromiss über die Spitzenkandidaturen erzielen können. Dahinter steht der noch immer schwelende Streit um das genaue Profil und das Ausmaß der Nähe respektive Distanz zum regierenden Mitte-Links-Lager.
Am Montag dieser Woche kam nun neues Leben in die Verhandlungen, da die NPA an die beiden stärksten Parteien in der »Linksfront« - welcher erstgenannte Partei nicht angehört - erstmals ein Angebot für gemeinsame Listen richtete. Dahinter steht der Versuch einer Bündelung der Kräfte links vom derzeitigen Regierungslager. Andererseits erklären aber auch finanzielle Schwierigkeiten des NPA, die eine Eigenkandidatur erschweren, diesen Vorstoß. Die kleine Partei hatte im vergangenen Winter eine Sammlung gestartet mit dem erklärten Ziel, eine Million Euro für ihre Kandidatur zur Europawahl zu sammeln; es kamen jedoch nur 350 000 Euro zusammen. Umgekehrt findet auch zumindest die Linkspartei Mélenchons derzeit ein taktisches Interesse daran, die Verhandlungen auf die NPA als dritten Diskussionspartner zu erweitern, um so den Druck auf die PCF erhöhen zu können. Getreu der auch in der Politik geltenden Weisheit: Wenn man mit einem Partnerwechsel drohen kann, entdeckt der alte Partner die eigenen Vorzüge wieder.
Der Druck hat offenbar gewirkt. Am Mittwoch wurde eine erste Einigung in der Linksfront darüber bekannt, gemeinsame Listen bei der Europawahl erstellen zu wollen.
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