Im Land der Kartelle?

Kritiker zweifeln an Schlagkraft der deutschen Wettbewerbsbehörde

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bierkartell, Schienenkartell, Gaskartell - immer mehr Konzerne werden von den Wettbewerbshütern bei verbotenen Absprachen erwischt.

Deutschlands oberster Kartellkontrolleur Andreas Mundt sieht im harten Wettbewerb auf dem Heimatmarkt einen »wesentlichen Grund« für den Erfolg der deutschen Exportwirtschaft. Unternehmen konkurrieren um günstige Angebote, neue Produkte und den besten Service für ihre Kunden. Soweit die Theorie. In der Praxis ist Wettbewerb für das einzelne Unternehmen allerdings oft unbequem, gefährdet die Gewinne oder gleich die ganze Existenz. Die Versuchung, sich mit Konkurrenten zu verständigen, ist daher oft groß. Solche Kartelle verhindern sollen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und Mundts Bundeskartellamt.

Doch in den letzten Jahren häufen sich spektakuläre Wettbewerbsverstöße. Vor allem flogen sogenannte Hardcore-Kartelle auf, in denen Preise, Mengen, Gebiete und Kundengruppen zwischen Unternehmen abgesprochen werden. Kaum ein Lebensbereich blieb verschont: Flüssiggas (2007), Kaffee (2009), Brillengläser (2010), Feuerwehrlöschfahrzeuge (2012), Bier und Zucker (2014).

Zum höchsten Einzelbußgeld in der Geschichte der Bonner Wettbewerbswächter wurde im Jahr 2013 der Industrie- und Stahlkonzern ThyssenKrupp verdonnert. Drei weitere Firmen gehörten dem »Schienenkartell« an, welches der Deutschen Bahn AG und privaten Bahnen die Preise diktierte - das Resultat war ein Milliardenschaden. Der ohnehin angeschlagene ThyssenKrupp-Konzern musste dafür 191 Millionen Euro an Bußgeld berappen. Dazu kommen Schadensersatzzahlungen an die Bahnen in ähnlicher Höhe. Kartellamtspräsident Mundt sieht in solchen »Erfolgsmeldungen« ein gutes Zeichen: »Wir sind in den vergangenen Jahren schlagkräftiger geworden.«

Aber wie immer, wenn eine Zunahme der (Wirtschafts-)Kriminalität zu vermelden ist, stellt sich die Frage, ob es tatsächlich eine Häufung der Fälle gibt, oder ob von den Behörden nur genauer hingeschaut wird. Für Mundt ist die Antwort eindeutig: »In den letzten zehn Jahren wurde die Kartellverfolgung vom Bundeskartellamt deutlich intensiviert.« Dafür sorgten neue spezialisierte »Beschlussabteilungen« - Sonderkommissionen, die selbstständig operieren - und vor allem das Kronzeugenprogramm.

Wer ein Kartell offen legt, geht schon seit 1996 straffrei aus. Doch die Kronzeugenregelung brauchte geraume Zeit, um sich herumzusprechen. »Bei den meisten Kartellfällen gibt es zwar spektakuläre Durchsuchungen, aber der erste Schritt der Ermittlungen ist immer eine Selbstanzeige«, berichtet Professor Ulrich Kamecke von der Humboldt-Universität in Berlin. Daher sieht er Deutschland nicht auf dem Weg zurück ins Land der Kartelle. Zudem hängt die Strafe heute nicht mehr vom schwer zu bestimmenden Schaden, sondern vom Umsatz des Unternehmens ab. »Große« trifft es daher heute härter als früher.

Trotzdem zweifeln Kritiker an der Schlagkraft der Behörde. Das Bundeskartellamt, das auch Fusionen, Benzinpreise und öffentliche Aufträge unter die Lupe nimmt, beschäftigt heute knapp 330 Menschen und ist damit eine im internationalen Vergleich »eher kleine Wettbewerbsbehörde«, wie das Bundeswirtschaftsministerium eingesteht. Verbraucherschützer halten auch die Bußgelder für zu niedrig, angesichts des finanziellen Gewinns, den Konzerne aus Kartellen ziehen.

Der Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, bringt sogar einen Systemwechsel ins Spiel: Man könnte wie in den Vereinigten Staaten Kartelltäter auch mit Gefängnis bestrafen. Bislang werden ertappte Manager nur mit einem Ordnungsgeld bestraft. Das kann nach dem gesetzlichen Regelbußgeldrahmen höchstens eine Million Euro betragen.

»Das Wettbewerbssystem bewegt sich ständig im Spannungsfeld von gesellschaftlichen und Einzelinteressen«, lässt das federführende Bundeswirtschaftsministerium Sigmar Gabriels (SPD) in einer Studie wissen. Mit unangenehmen Auswirkungen an anderer Stelle: So steht nun die Schienensparte ThyssenKrupps mit ihren 260 Arbeitsplätzen vor dem Aus. Der Essener Konzern fand keinen Käufer. Die nun wieder weitgehend von der Deutschen Bahn diktierten Schienenpreise gelten in der Branche als zu niedrig.

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