Jenseits der »Coolnessgrenze«
Die Piratenfraktion Lichtenberg fragt in einer Kleinen Anfrage nach der »Coolness«-Definition ihres Bezirksamts
Jenseits der »Coolnessgrenze« läge der Bezirk heute noch, vermutete Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) beim Amtsantritt im November 2011. Über Lichtenberg werde in den Medien immer noch unvollständig und »mit Stereotypen behaftet« berichtet, dadurch würde der Bezirk trotz seiner guten Entwicklung immer noch unattraktiv dastehen.
Eine Aussage, die die Piratenfraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg über die Jahre hinweg belustigt hat: »Wie ist der aktuelle Verlauf der sogenannten ›Coolnessgrenze‹?«, will Yannick Meyer, Fraktionsvorsitzender der Piraten in der BVV, nun Anfang April in einer Kleinen Anfrage vom Bezirksamt wissen. Scherzhaft formuliert, aber, Meyer zufolge, Teil einer wichtigen Frage: Wo geht es hin mit dem Bezirk nach den Veränderungen der letzten Jahre? Wer wird hier bald noch wohnen können?
Eine Anfrage dieser Art ist ungewöhnlich: Normalerweise dienen Kleine Anfragen auf Bezirksebene der Klärung von Detailfragen, Parteien nutzen sie auch gern, um Missstände anzuprangern und Ämter unter Druck zu setzen. Im April beispielsweise hat die Lichtenberger Fraktion der CDU eine Kleine Anfrage genutzt, um sich über die Dauer des Mietvertrags der Jugendfreizeiteinrichtung »Betonoase« zu informieren. Die Grünen aus Steglitz-Zehlendorf wiederum interessierten sich im Februar für die exakte Anzahl von Pkw-Stellplätzen an der Schloßstraße.
Gänzlich neu ist der Umgang der Piraten mit dem Instrument aber nicht: »Ist Berlin für den Fall einer Zombie-Katastrophe gerüstet?«, wollte die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus beispielsweise im vergangenen Jahr von der Landesregierung wissen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales verwies in ihrer Antwort jedoch nur nüchtern auf das Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Auch auf Bundesebene hat das Instrument durch die Frage der Grünenfraktion, wie hoch die Bundesregierung die »Wahrscheinlichkeit der Existenz intelligenter extraterrestrischer Lebewesen« einschätze, schon Skurriles hervorgebracht.
Bearbeitet werden müssen die Kleinen Anfragen natürlich auch, Scherze sind dabei nicht gern gesehen. »Seit Amtsantritt von Herrn Geisel haben wir hier in Lichtenberg bereits 400 Kleine Anfragen erhalten«, so das Bezirksamt auf Nachfrage. »Die alle zu beantworten, kostet Zeit.« Erst vor kurzem hätte Bezirksbürgermeister Geisel die Fraktionen diesbezüglich angehalten, weniger Anfragen zu stellen. Meyer jedoch will dieses Argument nicht gelten lassen: »Die Kleine Anfrage ist eines der wichtigsten und transparentesten Instrumente zur parlamentarischen Kontrolle«, die spezifische Anfrage darüber hinaus ernst gemeint gewesen.
Bleibt die Frage, wie es denn nun aussieht mit Lichtenberg und der »Coolnessgrenze«? In seiner Antwort geht das Bezirksamt ausführlich auf die Veränderungen in den letzen Jahren ein und nennt die Ansiedlung von Künstlern, die Erschließung der Clubszene sowie die niedrige Jugendarbeitslosigkeit als Indikatoren für eine positive Entwicklung. Wo genau die »Coolnessgrenze« aber nun verlaufe, das wurde nicht beantwortet.
Yannick Meyer ist trotzdem zufrieden mit der Antwort, sie sei »politisch fruchtbar und ausgewogen«. Verkehrte Welt in Lichtenberg: »Irgendwie hat diesmal die spaßigste Anfrage die brauchbarste Antwort nach sich gezogen«.
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