Kein Antrag gegen Emmich
100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges: Kaserne behält Kriegsverbrecher-Name
»Sehr geehrte Frau Bundesministerin, schon vor zwei Jahren sollte die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover neu benannt werden nach General Ulrich de Maizière (1912 - 2006). Dieser Beschluss wurde bislang nicht umgesetzt ...«
So beginnt ein Brief, den Jakob Knab aus Kaufbeuren am 7. März an Ursula von der Leyen (CDU) geschickt hat. Und er endet mit dem Satz: »Bitte erteilen Sie die Weisung, dass 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges die Liegenschaft in Hannover einen neuen Traditionsnamen erhält.«
Zugegeben, die Ministerin ist neu im Amt und schwerst beschäftigt. Sie soll die stockende Bundeswehrreform wiederbeleben, sie will familienfreundliche Arbeitsbedingungen für die Soldatinnen und Soldaten schaffen, sie hat allerlei Rüstungsvorhaben »am Hacken«, die allesamt nicht solide bilanziert sind. Dazu kommen die NATO-Aufmarsch-Anstrengungen an den Ostgrenzen des Bündnisses.
Warum sich von der Leyens Vorgänger im Amt, Thomas de Maizière, nicht engagiert um die Namensänderung gekümmert hat, mag man sich mit familiärer Bescheidenheit erklären. Ulrich de Maizière war nicht nur Generalstabsoffizier in Hitlers Wehrmacht, er war auch Generalinspekteur der Bundeswehr und so ganz nebenbei der Onkel des heutigen Bundesinnenministers.
Der Name Jakob Knab ist bekannt im Verteidigungsministerium. Immer wieder forderte er die Politik auf, die Namen alter Nazi-Generale von den Kasernentoren zu entfernen und Abschied zu nehmen von den unheiligen Traditionswerten, die damit verbunden sind. Was aber treibt Jakob Knab dazu, gegen den Namen Emmich-Cambrai zu opponieren? Der Name steht an der Bundeswehreinrichtung seit 1956. Später kam durch die Zusammenlegung mit einer anderen Kaserne der Name Cambrai hinzu. Dennoch, Emmich kann mit den Nazis und deren Verbrechen nichts zu tun haben, schließlich ist der General Otto Albert Theodor von Emmich bereits 1915 in Hannover gestorben.
Man kann sich beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam kundig machen. Dort heißt es: »Als General der Infanterie und Kommandierender General des X. Armee-Korps war Emmich an dem völkerrechtswidrigen Überfall auf Belgien beteilig. Bei den von ihm geführten Kämpfen um die Festung Lüttich (Liège) im August 1914 sowie beim weiteren Vormarsch der deutschen Truppen kam es zu Ausschreitungen gegen und Hinrichtungen von Zivilisten durch deutsche Soldaten, die in der neueren Forschung als kriegsvölkerrechtswidrig gewertet werden.«
Dass Emmich für die an der belgischen Bevölkerung begangenen Kriegsverbrechen strafrechtlich nicht belangt worden ist, kann nicht als Persilschein gewertet werden. Und dass der General ab 1933 im Rahmen des Naziheldenkults hochgehalten wurde und in Hannover sogar ein Platz nach ihm benannt wurde, der noch heute so heißt, kann wohl auch nicht als Argument zur Beibehaltung des Status quo benutzt werden.
Knab erinnert an den Traditionserlass der Bundeswehr von 1982: »Kasernen und andere Einrichtungen der Bundeswehr können mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung nach Persönlichkeiten benannt werden, die sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um die Freiheit und das Recht verdienst gemacht haben.«
Auch wenn »Freiheit und Recht« höchst schwammige Formulierungen sind, definiert man sie entsprechend des Grundgesetzes, ist der Name Emmich eine falsche Entscheidung. Da die Kaserne in Hannover zur Streitkräftebasis der Bundeswehr gehört, hat deren Chef Vizeadmiral Manfred Nielson im Namen der Ministerin an Knab einen Antwortbrief formuliert. Sehr richtig betont er: »Tradition ist die Überlieferung von Werten und Normen. Sie bildet sich in einem Prozess wertorientierter Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit und verbindet dabei die Generationen und schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft.«
Die Konsequenz scheint logisch: Umbenennung! Doch weit gefehlt: Erstens liege keine wissenschaftliche Arbeit über die persönliche Schuld des Generals vor. Zudem meint Admiral Nielson: »Sofern Namensänderungen für notwendig gehalten werden, obliegt die Initiative ... grundsätzlich der in der Kaserne stationierten Truppe.« Nielson sind die Hände gebunden, deutet er an, denn: »Ein entsprechender Antrag liegt mir bislang nicht vor.«
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