Mummenschanz und Hexerei
Ingolf Bossenz über kirchliche Spektakel und spektakuläre Versäumnisse
»Da haben wir es also: Eine kirchliche Ordnung mit Priesterschaft, Theologie, Kultus, Sakrament; kurz, alles das, was Jesus von Nazareth bekämpft hatte.« Wer dieses Diktum Friedrich Nietzsches wieder einmal bestätigt haben wollte, brauchte am Sonntag nur einen Blick in die Live-Übertragungen vom Mummenschanz des Jahres auf dem römischen Petersplatz zu werfen: Hunderttausende erwachsene Menschen, die unter der Regie bizarr gewandeter Männer inbrünstig einen Hautfetzen und eine Ampulle Blut von zwei toten katholischen Kirchenfürsten anbeteten.
Um nicht ungerecht zu sein: Natürlich ist solch ein Showspektakel allemal angenehmer als andere öffentliche Darbietungen christlicher Nächstenliebe, wie sie in vergangenen Jahrhunderten üblich waren. Zum Beispiel die Hinrichtungen von »Hexen« und »Hexern«. Klar, das ist lange her. Außerdem: Bei der Verfolgung dieser Delikte gegen Gott und Glauben taten sich besonders die Protestanten hervor. Schließlich war Luther ein zutiefst von Teufelswerk und -zeug Überzeugter. Immerhin: Es ist ein evangelischer Pfarrer - Hartmut Hegeler - , der sich seit Jahren für die Entlastung der rund 25 000 in Deutschland Exekutierten einsetzt. Ein öffentlicher Rehabilitationsakt der christlichen Großkirchen, in ökumenisch-trauter Eintracht, würde auch im Fernsehen ein gutes Bild bieten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.