Attentat auf Charkiws Bürgermeister und Explosionsopfer
Gespannte Lage in ostukrainischer Unruheregion / Kiew schloss die Schleusen des Kanals für die Wasserversorgung der Krim
Auf seinem Fahrrad war Charkiws Bürgermeister Gennadi Kernes am Montag unterwegs, als er durch Schüsse in den Rücken niedergestreckt wurde. Die Leber sei getroffen, berichteten örtliche ukrainische Medien. Noch einige Tage werde Lebensgefahr bestehen, hieß es nach einer zweistündigen Operation unter Berufung auf die behandelnden Ärzte. Da der Bürgermeister der ostukrainischen Großstadt, in der die »Volksrepublik« ausgerufen worden war, mehrfach die politischen Seiten wechselte, sind die Attentäter in allen Lagern zu vermuten.
Den prorussischen Föderalisten zugerechnet wurden hingegen der Sturm auf das Rathaus der 80 000 Einwohner zählenden Stadt Konstantinowka, das etwa auf halben Weg zwischen Donezk und Slawjansk liegt.
Auch sonst blieb es unruhig. Bei einer Explosion nahe der Ortschaft Donetschina im Donezker Gebiet seien ein Militärangehöriger getötet und ein weiterer verletzt worden, meldete die ukrainische Agentur UNIAN. Auf dem Militärflugplatz Kramatorsk beschossen Unbekannte die Regierungseinheiten. Zwei Sicherheitskräfte wurden verletzt.
Demonstranten im ukrainischen Südosten riefen laut russischen Medienberichten eine »Volksrepublik Lugansk« aus. Am 11. Mai soll in einer Volksabstimmung gefragt werden: »Unterstützen Sie den Akt der Verkündung der staatlichen Souveränität der Volksrepublik Lugansk?« Russland werde um Entsendung einer Friedenstruppe ersucht, wenn Kiew »aggressiv« gegen die Stadt vorgehen sollte, hieß es. Frauen, die die Dokumente verlasen, hätten sich als »Koordinatoren des Volksrats des Gebiets Lugansk« bezeichnet. In Kiew wurde angekündigt, dass die Abgeordneten an diesem Dienstag in der Werchowna Rada über die Abhaltung eines gesamtukrainischen Referendums entscheiden wollen.
Die Führung der nun zu Russland zählenden Krim klagte die »Junta« in Kiew an, sie zeige »ihr wahres Gesicht«. Laut der örtlichen »Krimskaja Prawda« seien seit einer Woche die Schleusen des für die Wasserversorgung der Halbinsel lebenswichtigen Nord-Krim-Kanals geschlossen. Es bestehe keine Gefahr für die Trinkwasserversorgung, versicherten die örtlichen Behörden, allerdings drohten wirtschaftliche Verluste.
In Deutschland mahnte angesichts der Krise um die Ukraine der Schriftsteller und Politologe Johano Strasser (74) zur Besonnenheit. »Ich halte nichts von der ständigen Verstärkung des Tons und der Kriegslüsternheit, die auch in einigen Medien zu spüren ist«, sagte der langjährige Chef der Schriftstellervereinigung PEN in Deutschland am Montag der dpa.
LINKE-Fraktionschef Gregor Gysi forderte ein Gipfeltreffen der Präsidenten der USA und Russlands. Barack Obama und Wladimir Putin seien »verpflichtet, im Interesse des Friedens unverzüglich eine Lösung für die Ukraine zu finden. Alle anderen sind damit offenkundig überfordert.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.