Harald Koch legt sich mit der LINKEN an
Wegen seiner Bewerbung als Landrat in Sachsen-Anhalt riskiert ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter den Rauswurf aus seiner Partei
Der Bewerber kommt für sieben Jahre ins Amt, wird nach Gehaltsgruppe B5 bezahlt und ist für 144 500 Bürger zuständig - wenn die ihn mehrheitlich ins Amt wählen. Diese Fakten stehen in einer Stellenausschreibung des Landkreises Mansfeld-Südharz, mit der ein neuer Landrat für die Region im Süden Sachsen-Anhalts gesucht wird. Bis Montag 18 Uhr konnten Bewerbungen eingereicht werden; heute muss die Liste vom Kreistag bestätigt werden. Zu den mindestens fünf Interessenten gehört auch Harald Koch, der bis 2013 für die LINKE im Bundestag saß. Seine Bewerbung könnte für ihn gravierende Folgen haben: Der Landesvorstand der LINKEN berät über einen Antrag an die Schiedskommission mit dem Ziel, Koch aus der Partei auszuschließen.
Grund für den drastischen Schritt ist, dass Koch seine Bewerbung einreichte, obwohl die Partei bereits eine andere Kandidatin ins Rennen geschickt hatte: Angelika Klein. Die Finanzexpertin der Landtagsfraktion hatte sich auf einer Vertreterversammlung am 22. Februar klar mit 29 zu 10 Stimmen durchgesetzt. Der Unterlegene indes wirft seinen Hut als Einzelbewerber in den Ring - mit der Folge, dass bei der Wahl am 25. Mai zwei Kandidaten mit Parteibuch der LINKEN auf dem Stimmzettel stehen werden.
Koch verstoße damit gegen die Satzung von Bundes- und Landespartei, sagt Landeschefin Birke Bull - und zwar vorsätzlich, wie sie betont. Der 59-Jährige sei in mehreren Gesprächen auf den Passus hingewiesen worden, der die Pflichten der Mitglieder regelt. Dort heißt es, dass diese bei Wahlen für Parlamente, Stadträte, Kreistage »oder sonstige Wahlämter« nicht konkurrierend zur Partei antreten dürfen. Der Posten eines Landrats fällt nach Auffassung der Landespartei in diese Kategorie. Koch sieht das freilich anders: Es handle sich lediglich um eine Personenwahl. »Parteien treten gar nicht an«, sagt er und pocht auf sein »Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes«.
Dass er den Job im Landratsamt anstrebt, ist aus Kochs Sicht naheliegend: Dort hat er bereits seit Jahren gearbeitet. Der studierte Finanzwirt war im Rat des Kreises Sangerhausen tätig, wurde später Beigeordneter und amtierte seit 2004 sogar als Vize-Landrat. Er sei überzeugt, dass es unter den Bewerbern »nur zwei gibt, die es fachlich können«, sagt er: Amtsinhaber Dirk Schatz und ihn selbst. Mit dem CDU-Politiker als seinem Vorgesetzten lieferte sich Koch einst harte juristische Auseinandersetzungen, weshalb er auf nachgeordnete Posten geschoben wurde - bis er 2009 ein Direktmandat im Bundestag gewann. Dessen Verteidigung gelang ihm indes 2013 nicht mehr. Die Rückkehr in die Kreisverwaltung blieb ihm wegen einer versäumten Frist verwehrt.
Chancen rechnet sich Koch auch als Einzelkandidat aus, obwohl er bei einem ersten Anlauf für das Amt des Landrats 2007 nicht einmal in die Stichwahl kam. Damals trat Koch, der einst SED-Mitglied und später Kreischef der SPD war, für die WASG an; später galt er als ein Aushängeschild der LINKEN. Zur Entfremdung mit vielen Genossen im Land kam es 2011. In der heftig geführten Debatte über »Wege zum Kommunismus« stellte sich Koch auf die Seite der damaligen Bundesvorsitzenden Gesine Lötzsch; in einer Erklärung schrieb er, wer für den demokratischen Sozialismus kämpfe, »ebnet dennoch den Weg zum Kommunismus«.
Heute wird Koch der »Antikapitalistischen Linken« zugerechnet; die Landespartei steht indes mehrheitlich dem Realo-Flügel nahe. Das Votum für Klein sieht Koch als eine »strömungspolitische Entscheidung«. Was auch immer die Gründe sind - die Entscheidung sei mit klarer Mehrheit gefallen und solle akzeptiert werden, sagt Bull, die Koch ein »hochproblematisches Verständnis zu innerparteilicher Demokratie« vorwirft.
Die parallele Kandidatur bereitet der Landeschefin erhebliche Kopfschmerzen. Zum einen mindere sie die Chancen, den CDU-Amtsinhaber abzulösen. »Wer für Harald Koch stimmt, stimmt nicht für Angelika Klein«, heißt es in der Partei. Zudem würden Mitglieder in Loyalitätskonflikte gestürzt; die Handlungsfähigkeit der Regionalpartei werde beeinträchtigt. Bull wirft Koch deshalb vor, »schweren Schaden« anzurichten - eine Formulierung mit Gewicht. Ein Ausschluss aus der Partei ist schließlich nur dann möglich, wenn ein Mitglied »vorsätzlich gegen die Satzung … der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt«.
Koch erkennt derlei Folgen seiner Bewerbung nicht und will sich wehren, zur Not auch vor Gericht. »Ich ziehe das durch«, kündigte er an: »Ich will Mitglied dieser Partei bleiben.«
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