»Wir müssen die kleinen Erfolge genießen«

Trainer Pep Guardiola will ins Champions-League-Finale, und bereitet den FC Bayern doch schon aufs Scheitern vor

  • Elisabeth Schlammerl, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Pep Guardiola ist beim FC Bayern erstmals unter Druck geraten. Er will trotzdem an seinem System festhalten und fordert mehr Demut in München.

Es sind die Momente in einer Saison gekommen, in der beim Trainer des FC Bayern München jede Geste, jede Handbewegung, jedes Lächeln gedeutet wird. Pep Guardiola hat die Angewohnheit, sich gedankenverloren übers Gesicht zu streichen oder in den Arm zu zwicken, während er sich auf die Fragen konzentriert. Schon immer machte er dies so, aber vor dem heutigen Halbfinalrückspiel in der Champions League gegen Real Madrid würde man in seine Gesten gerne ein wenig Nervosität und Anspannung hineininterpretieren. Doch da wiegelt der Spanier ab. »Nein«, sagte Guardiola und lachte. »Ich bin super.«

Dieser Satz ist für die Guardiola-Ewigkeit in München bestimmt, so wie einst Louis van Gaal immer wieder mal zu hören bekam, dass er sich einmal mit Gott verglichen hatte. Aber anders als beim Niederländer ist Guardiolas Aussage kein Ausdruck von Überheblichkeit, sondern seiner noch verbesserungsfähigen Grammatik geschuldet. Natürlich meinte der Bayern-Trainer, dass er sich super fühle.

Aber auch das kann sich schnell ändern, wenn es der FC Bayern nach der 0:1-Niederlage vom Hinspiel am Dienstag nicht schaffen sollte, zwei Tore mehr zu schießen als die Spanier und damit ins Finale am 24. Mai in Lissabon einzuziehen. Zum ersten Mal gerät Guardiola in München unter Druck. Bis zum Gewinn der deutschen Meisterschaft Ende März war er mit Lob überhäuft worden, nun scheint der schon in überirdische Sphären gehobene Trainer wieder auf menschliche Größe geschrumpft.

Das in den ersten acht Monaten gerühmte Ballbesitzspiel der Münchner ist plötzlich nicht mehr unumstritten, denn das Ergebnis steht auch beim FC Bayern über der Schönheit des Spiels. Guardiola aber hielt sich in den vergangenen Tagen nicht lange mit Zeitungslektüre oder Internetrecherche auf. Es sei nicht seine Aufgabe, »die Arbeit der Journalisten zu analysieren sondern unsere«, findet er.

Das hat er in den vergangenen Tagen nun getan, immer wieder. Er schaute sich noch einmal das Spiel in Madrid an und fühlte sich in seiner ersten Meinung bestätigt, dass seine Mannschaft sehr viel richtig gemacht hat im Bernabeu-Stadion. Auf diesem hohen Niveau seien Kleinigkeiten entscheidend. Am Dienstag, sagt er, »da macht die Leidenschaft den Unterschied.« Die Bayern wollen am System der Spielkontrolle und des Ballbesitzes festhalten. »Wir wollen so dominant sein wie in Madrid, aber mit mehr Aggressivität im Strafraum«, sagt Guardiola.

Dass dieses Mal vermutlich Gareth Bale und Cristiano Ronaldo gemeinsam von Anfang auflaufen werden und Real damit noch gefährlicher bei Kontern sein könnte, ist für den Münchner Trainer kein Grund, etwas zu ändern. Die Spieler weiß er jedenfalls hinter sich. »Ich bin froh, dass wir so spielen«, sagte Kapitän Philipp Lahm. »Diese absolute Kontrolle macht Spaß.«

Guardiola hat seine ganz eigene Art, mit den hohen Erwartungen umzugehen. Er verstehe den Anspruch, der in München nach dem Gewinn des Triples im vergangenen Jahr herrsche. »Wichtig ist aber, dass wir auch die kleinen Erfolge genießen«, fordert er. Man müsse die Meisterschaft, das Erreichen des Pokalfinales und des Halbfinales in der Champions League wertschätzen. »Wenn man sagt, das ist alles nichts, wird der Klub Probleme bekommen.« Für die Mannschaft sei es jedenfalls nicht selbstverständlich, die Chance zu haben, zum dritten Mal hintereinander das Finale um die begehrteste Klubtrophäe zu erreichen. »Es ist eine Ehre, im Halbfinale zu stehen«, so Guardiola.

Der erfolgreichste Klubtrainer der vergangenen sechs Jahre erinnert die Bayern daran, dass sie erst Demut lernen mussten, ehe sie zur vielleicht besten Mannschaft der Welt werden konnten. Aber vielleicht baut Guardiola auch schon für den Fall vor, dass aus dem Finale in Lissabon für die Bayern nichts wird. Von seiner Zeit beim FC Barcelona weiß er, dass sich Spitzenvereine nie mit weniger zufrieden geben und bei einem verpassten Ziel manchmal Grundsätzliches in Frage gestellt wird.

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